Sport/Fußball

Deutschland, das gelobte Fußball-Land

Langsam wird’s nun doch fast ein wenig kitschig. Als wäre es nicht schon der Ehre genug gewesen, dass erstmals in der Fußball-Historie zwei Mannschaften aus Deutschland den Champions-League-Titel unter sich ausmachen, da erreichte die Nation in der letzten Woche gleich noch die nächste Jubelmeldung. Obendrein aus England, dem Land des ewigen Rivalen.

Deutschland ist das beliebteste Land der Welt.

Das ist zumindest das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des britischen Fernsehsenders BBC, bei der 26.000 Personen in 25 Ländern ihr eindeutiges Votum abgegeben hatten. Ein Ergebnis, das in dieser Form wohl noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre.

Aber wer hätte auch gedacht, dass in Wembley zwei deutsche Teams im Finale stehen? Wer hätte es vor wenigen Monaten noch für möglich gehalten, dass einmal der beste Trainer der Welt (Pep Guardiola) Deutschland beehrt? Wer geahnt, dass der Fußball Made in Deutschland plötzlich für Esprit und Entertainment steht?

Sympathiekurs

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Wie das Land hat auch der Fußball einen Imagewandel vollzogen. Eine Entwicklung hin zur Vorzeige-Nation, die durchaus einhergeht. Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land (2006), das vielzitierte und -gelobte Sommermärchen, hat Deutschland in einem anderen Licht erscheinen lassen, einem sympathischen. Nicht nur auf dem Rasen, auch in den Städten, in denen das Schwingen Tausender deutscher Fahnen plötzlich für keine Irritationen mehr sorgte oder einen schalen Beigeschmack auslöste. „Wenn die Leute auf die Straßen gehen und das Team feiern, dann empfinde ich das als riesigen Erfolg“, erklärt der deutsche Bundestrainer Joachim Löw im KURIER-Gespräch.

Der 53-jährige Rotwein-Liebhaber, Genussraucher und Mode-Trendsetter – sein blauer Pullover von der WM 2010 in Südafrika hat es sogar bis ins Museum des Deutschen Fußballbundes geschafft – legt auch im Spiel der Nationalmannschaft großen Wert auf Ästhetik. „Ich will keinen Fußball, bei dem es nur ums Verwalten geht.“

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Bereits bei seinem Amtsantritt 2006 hatte Löw dem Rumpelfußball (© Franz Beckenbauer) den Kampf angesagt und das Ende des Zeitalters der teutonischen Eisenfüße ausgerufen. Gegen Widerstände wurden die altbekannten und oft berüchtigten deutschen Tugenden (Härte, Kampfgeist) entsorgt und von neuen, zeitgemäßen Werten (Ballbesitz, Kombinationsfußball) abgelöst. „Die alte Spielweise hat ja teilweise niemanden mehr vom Hocker gerissen“, weiß Löw, „wir wollen mit unserem Fußball die Leute begeistern.“

Bayern München und Borussia Dortmund flogen in der abgelaufenen Champions-League-Saison jedenfalls die Herzen zu. Beeindruckend, wie die Bayern im Semifinale dem großen FC Barcelona die spielerischen Grenzen aufzeigten; begeisternd, wie Dortmunds junge Wilde mit ihrem spektakulären Hochgeschwindigkeitsfußball über die prominenten Gegner hinwegrauschten.

Erfolgskurs

Ist da im Fußball vielleicht gerade eine kleine Palastrevolution im Gange? Ist das Tiki-Taka anno 2013 nicht mehr das A&O? Ist Deutschland gar das neue Spanien?

Jetzt, wo sogar Pep Guardiola die Liga beehrt (er tritt am 26. Juni sein Amt bei den Bayern an) und ganz Fußball-Europa schwärmt von der Infrastruktur, dem Publikumsansturm und der Zahlungsmoral in der deutschen Bundesliga. „Dass Guardiola kommt, ist eine große Wertschätzung für den deutschen Fußball“, meint Löw.

Sonst warnt der Bundestrainer aber vor voreiligen Schlüssen. Von einer deutschen Dominanz oder gar einer neuen deutschen Welle will Löw, von dem zehn Teamspieler am Finale mitwirkten, nichts wissen. „Die Einzigen, die dominiert haben, waren die Spanier. Wenn nächstes Jahr wieder zwei Bundesliga-Teams im Champions-League-Finale sind und wir den Titel in Brasilien gewinnen, dann kann man von einem nachhaltigen Machtwechsel sprechen.“