Casinos-Vorstand: "Die EM ist eine ganz große Gefahr"
Die EURO in Frankreich rückt näher. Die Spannung steigt. Bei den Teilnehmern. Bei den Fans. Und bei den Wettanbietern. Dietmar Hoscher – Vorstandsdirektor der Casinos Austria, Aufsichtsratsvorsitzender von tipp3 – sieht Zeiten der hohen Umsätze entgegen. Hoscher, der auf Testimonial Marcel Koller setzt, sagt, dass der Fußball bei tipp3 90 Prozent des Geschäfts ausmache. Und er erklärt, warum dies noch kein Grund ist, um sich die Hände zu reiben. Der 53-jährige Wiener, Fußball- und Blues-Liebhaber, über Wett-Mechanismen, die damit verbundenen Gefahren – und seine Beziehung zu Rapid.
KURIER: Die Vertragsverlängerung von Teamchef Marcel Koller ist auch für tipp3 ein Erfolg. Hatten Sie Sorgen um Ihr Werbe-Testimonial?
Dietmar Hoscher: Marcel Koller wurde ja mit vielen Nachschuss-Lorbeeren bedacht. Am Anfang haben wir oft gehört: ,Mit einem Schweizer zu werben, wird nicht funktionieren." Wie sich das dann entwickelt hat, wissen wir: Koller kommt unheimlich gut an. Und ich weiß, dass ihm die tipp3-Spots mit seinen vielen Rollen selbst Spaß machen. Wir freuen uns, dass so früh Klarheit über seine Zukunft herrscht.
Der Wechsel vom Namenssponsoring der Bundesliga zur ÖFB-Partnerschaft wirkt perfekt getimt. War die Liga im Vergleich zum Team auch das schwierigere Produkt?
Welche Bedeutung haben Großereignisse wie die EURO in Frankreich für Wettanbieter?
Jedes Großereignis ist ein Umsatzbringer. Aber: Im Fußball ist eine EURO auch eine ganz, ganz große Gefahr. Wenn die Favoriten siegen, steigen auch die Auszahlungen. Für tipp3 ist 2016 also ein Jahr mit viel Umsatz, aber auch mit viel Risiko.
Und wenn Österreich in Frankreich so richtig weit kommt?
Dann wird es ganz, ganz teuer! Und zwar für jeden Wettanbieter. Da zittern alle. Extrem viele setzen auf Österreich – egal, gegen wen wir spielen. Österreichs EM-Titel wäre bei uns mit extremen Kosten verbunden.
tipp3 ist der Wettpartner von Rapid im Allianz-Stadion. Was kann man da erwarten?
Wir werden den Zuschauern die Möglichkeit bieten, Wetten abzugeben. Aber das passiert in der Regel vor dem Spiel. Dabei geht’s für viele eher darum, im Freundeskreis recht zu behalten als Gewinne zu schaffen. Wie ich die Rapid-Fans kenne, werden sie im Stadion während des Spiels auch künftig selten daran denken, eine Wette abzugeben, weil sie sich aufs Spiel konzentrieren.
Bei Rapid wird überlegt, im TV auf Eigenvermarktung zu setzen. Das wäre für den ORF problematisch. Sie sind Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates, andererseits im Rapid-Kuratorium. Was halten Sie von der Idee?
Sie ist nicht neu, das wird international auch praktiziert. Mein Rapid-Herz sagt: Der Klub, der mit Abstand die besten Quoten bringt, muss auch honoriert werden. Mein ORF-Herz sagt: Die Leute sollten Rapid gratis sehen können. Da gibt es für jede Seite Grenzen. Am Ende muss man beides unter einen Hut bringen, sonst bekommt die Liga ein Problem.
Ist Matchfixing, also das Manipulieren von Spielen, nach wie vor eine Gefahr für Österreich?
Nicht nur für Österreich, sondern für die ganze Welt. Und ich warne davor, das Problem nur im Fußball anzusiedeln. Da geht’s um den ganzen Sport – und bei Einzelsportarten wäre Matchfixing weniger komplex als bei Teamsportarten. Aber es gibt viele positive Zeichen.
Und zwar?
Wir haben stark auf Aufklärung gesetzt, um klarzumachen: Erstens, das ist kein Kavaliersdelikt. Zweitens, schau auf die Folgen neben der Sperre, was bedeutet, du wirst dich in diesem Bereich nicht mehr beruflich bewegen können. Und drittens, es existiert die zivilgerichtliche Ebene – da können die Geschädigten wie Vereine und Buchmacher auch noch Ansprüche anmelden.
Was hat sich dadurch verändert?
Ich kann jetzt noch keine Beweise dafür präsentieren, weil sich der Betrug stärker vom Fußball in andere Sportarten verschoben haben könnte. Aber es ist offensichtlich, dass das Unrechtsbewusstsein viel stärker geworden ist. Die Frage "Zahlt sich das wirklich aus?" ist nun im Gedächtnis der anfälligen Personen immer präsent.
Was kann verbessert werden?
Es hilft nichts, gewisse Wettarten zu verbieten. Die werden ohnehin global angeboten. Es ist auch nicht böse, in der Halbzeit auf einen Endstand zu wetten. Aber ich bekenne mich dazu, gewisse Ereignis-Wetten zu verbieten – was ja durch den Gesetzgeber verstärkt passiert. Zum Beispiel: "Wer bekommt die nächste Gelbe Karte?" – das kann provoziert werden.
Können Wett-Syndikate dauerhaft aus Österreich vertrieben werden?
Österreich war als Ziel schon einmal beliebter. Speziell in unteren Fußball-Ligen und exotischen Sportarten gab es mehr Auffälligkeiten. Unser Eindruck ist jetzt, dass sich diese Organisationen lieber andere Märkte aussuchen, weil in Österreich viel unternommen wurde. Auch die internationale Vernetzung in der Polizeiarbeit hat sich verbessert. Aber: Das Problem Wettbetrug wird nie ganz verschwinden.
Leben und Karriere
Dietmar Hoscher wurde am 5. Juni 1962 in Wien geboren. Der Ökonom war SPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat, ist Vorstandsdirektor der Casinos Austria, hat tipp3 mitbegründet und ist Vorsitzender des Aufsichtsrats beim Wettanbieter. Beim ORF ist der 53-Jährige der Vorsitzende des Stiftungsrates.
Sport und Musik
Hoscher ist leidenschaftlicher Blues-Fan, wurde 2005 zum Initiator und künstlerischen Leiter des Festivals „
Vienna Blues Spring“. Mit seiner Tochter reist Hoscher zu fast allen Spielen von Rapid, er ist im Kuratorium des Vereins und war sogar als Nachfolger von Präsident Rudolf Edlinger im Gespräch.