Sport/Fußball

Baumgartlinger: "Ich wäre bereit, Kapitän zu sein"

Die EURO ist verdaut, der Verein gewechselt, die Sinne sind auf neue Ziele geschärft. Julian Baumgartlinger hat sich bei seinem neuen Klub Bayer Leverkusen in Bestzeit eingelebt und freut sich auf seine Premiere in der Champions League. Nach dem Rücktritt von Teamkapitän Christian Fuchs sucht Teamchef Marcel Koller vor Beginn der WM-Qualifikation im September einen neuen Chef auf dem Rasen, einen neuen verlängerten Arm für sich. Einer der Kandidaten, wenn nicht sogar der aussichtsreichste, ist Julian Baumgartlinger.

KURIER: Hat Sie Marcel Koller Sie schon kontaktiert bezüglich der Kapitänsschleife?

Julian Baumgartlinger: Das Thema muss man diskret behandeln, selbst wenn er mich kontaktiert hätte. Beim nächsten Lehrgang vor dem Georgien-Spiel werden wir dann mehr sehen.

Sehr diplomatisch formuliert. Wollen Sie Kapitän des Teams werden?

Ich wäre bereit dafür, es wäre eine riesige Ehre für mich. Es gibt nicht so viele Dinge, die man im Team erreichen kann. Das Kapitänsamt ist natürlich für einen Fußballer erstrebenswert.

Die EURO ist Vergangenheit. Haben Sie schon alles verdaut und analysiert?

Ja. Ich weiß, woran es gelegen hat, dass wir bei der EURO so enttäuschend abgeschnitten haben.

Woran denn?

Wir sind zu naiv und unerfahren in das Turnier gegangen, auch wenn wir alle die EURO und jedes Spiel zu 100 Prozent ernst genommen haben. Wir haben gewusst, wie schwer in Wahrheit die Qualifikation war und wie sauschwer die Gruppenphase werden würde.

Das klingt ja grundsätzlich vernünftig. Warum hat es letztlich doch nicht geklappt?

Ich glaube, Ungarn oder Island sind mit einer ganz anderen Erwartung ins Turnier gegangen als wir. Wir wollten uns nicht so defensiv hinten reinstellen wie die Isländer. Das war für den Moment sehr erfolgreich, aber langfristig führt das, glaube ich, zu nichts. Außerdem ist das nicht unser Naturell, das war auch nicht unser Fußball der letzten zwei Jahre in der Qualifikation.

Einspruch: Island kam ins Viertelfinale, da war Österreich schon längst daheim.

Vollkommen richtig. Unterm Strich zählt das Resultat. Daher gilt es für uns auch, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Künftig dürfen wir in solchen Situationen vielleicht nicht das letzte Risiko eingehen und sollten doch lieber ein Unentschieden mitnehmen. Es ist uns individuell und als Team nicht gelungen, unsere Normalform auf den Platz zu bekommen. Da haben viele Faktoren mitgespielt.

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Gemunkelt wurde immer wieder von fliegenden Fetzen im Teamquartier. Jetzt können Sie es ja zugeben, wir sagen es nicht weiter.

Es hat keine Streitereien oder Fetzereien gegeben, auch keine Beleidigungen. Das ist nicht im Ansatz geschehen. Zwischendurch haben wir immer wieder gesprochen und analysiert, weil wir dort im Quartier auch Zeit dafür gehabt haben. Auch nach dem Island-Spiel und dem Ausscheiden haben wir uns zusammengesetzt.

Also keine fliegende Teller?

Nein. Diverse Dinge, die da behauptet wurden, grenzen schon an Verleumdung. So etwas ist für mich keine respektvolle Berichterstattung.

Zurück in den Alltag. Der heißt ab sofort Leverkusen.

Genau. Nach dreieinhalb Wochen Urlaub, der auch notwendig war nach der EURO, bin ich direkt in die Vorbereitung eingestiegen und habe gleich alles mitgemacht. Schon am zweiten Tag habe ich gesehen, warum ich hierher gewechselt bin.

Wieso denn?

Die Möglichkeiten sind top in allen Bereichen. Man merkt eben, dass Leverkusen ein Verein ist, der seit Jahren Top 4 in Deutschland und international vertreten ist. Die Breite des Kaders ist enorm, im Training kann man zwei gleich starke Teams bilden. Man hat kaum einen Qualitätsverlust, dazu drängen riesige Talente nach. Aber diesen Kader benötigen wir im Laufe der Saison bei diesem intensiven Fußball, den Trainer Roger Schmidt spielen lässt.

Bedeutet das Spielsystem von Bayer Leverkusen für Sie als Laufmaschine eine Umstellung?

Das Pressing bin ich vom österreichische Nationalteam schon gewohnt, und in den fünf Jahren in Mainz hatte ich eine tolle taktische Schulung. Aber die Form des Pressings hier ist sicherlich noch extremer. Aber grundsätzlich liegt und gefällt mir dieses System.

Haben Sie einen Fixplatz?

Ich habe kein Ziel für mich formuliert. Ich möchte wie immer so oft wie möglich spielen. Bis Weihnachten haben wir fast jeden dritten Tag ein Spiel, da werde ich ohnehin auf einige Einsätze kommen. Aber ich bin keiner, der sagt, dass er auf 50 Spiele pro Saison kommen muss.

Hat Leverkusen Sie mit der Champions League und der doch größeren Chance auf einen Titel gelockt?

Am Ende einer Karriere bleiben dann doch die Titel hängen. In Österreich ist mir das leider mit der Wiener Austria nicht gelungen. Auch hier wird es schwierig, um einen Titel mitzuspielen, aber ich sehe mich bei einem Team, mit dem ich viele Siege feiern kann und werde. Und die Champions League war für mich definitiv ein Grund für den Wechsel von Mainz zu Leverkusen. Ich habe immer gesagt, dass ich einmal in diesem Bewerb spielen möchte. Im Vereinsfußball ist die Champions League einfach das Größte.