Sport/Fußball

"Moral und Ehre sind nicht wichtig"

Österreich spielt im internationalen Fußball wieder eine Rolle. Zumindest, was Wettskandale betrifft: Die Causa rund um den ehemaligen Grödig-Spieler Dominique Taboga wurde auch jenseits der Landesgrenzen wahrgenommen. Taboga erklärt sich nun bereit, der Bundesliga bei der Aufklärung zu helfen, sofern er gefragt wird.

Am Dienstag wird das Thema von der Spielergewerkschaft VdF auf den Tisch gebracht. Taboga saß bei der VdF sogar in einem Gremium, daher will die Vertretung der Spieler ihre Verantwortung wahrnehmen.

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Bei der Podiumsdiskussion "Der österreichische Wettskandal und seine Folgen" ist auch der deutsche Autor Benjamin Best zu Gast. Er hat mit seinem Buch "Der gekaufte Fußball – Manipulierte Spiele und betrogene Fans" vergangenen Oktober für Aufregung gesorgt und für einige seiner Thesen viel Kritik einstecken müssen.

KURIER: Ein halbes Jahr ist vergangen seit dem Erscheinen Ihres Buches. Hat sich beim Wettbetrug irgendetwas geändert?

Benjamin Best: Grundsätzlich nicht. Wettbetrug ist ein weltweites Problem, das auf Strukturen einer organisierten Kriminalität aufgebaut ist. In Europa und Asien gibt es kaum Länder, die nicht davon betroffen sind. Es gibt immer wieder Verbände und Funktionäre, die das Problem unterschätzen. So auch in Österreich. Hinweise gab es nicht erst seit dem Fall Taboga, sondern Jahre davor.

Sehen Sie in dieser Causa Ihre Thesen bestätigt?

Schon, weil der Fall alles Typische widerspiegelt: Erpressung, Waffengewalt. Vor Jahren habe ich in den USA mit einem Mafiaboss gesprochen. Der hat mir erklärt, dass Eishockey-Stars der NHL, vor allem russische Spieler, immer wieder bedroht werden. Auch mit Waffen. Zum Glück ist der Fall Taboga in Österreich nun so prominent, dass reagiert werden muss. Jetzt sind die Liga und der ÖFB gefordert.

Was macht Österreich für die Wettmafia interessant?

Die Syndikate suchen nicht die Top-Spieler der Top-Ligen, sondern vor allem Mittelklasse-Spieler, die vielleicht unzufrieden sind und nicht so viel verdienen. Die sind für den Betrug anfälliger. All das liefert der österreichische Fußball, wo es kaum Top-Verdiener gibt. Syndikate werden auch dort aktiv, wo nicht mit aller Härte gegen den Betrug vorgegangen wird. Wenn Justiz und Verbände die Zügel schleifen lassen.

Österreich war ja angeblich zu klein für gutes Doping. Offensichtlich ist es auch nicht zu klein für Wettbetrug.

Die Funktionäre müssen sich dieser Kritik stellen. Wenigstens geschieht jetzt etwas in diese Richtung. Es ist vielleicht wie bei der Doping-Problematik: Die meisten Verbände haben nicht das riesige Interesse, eigene Unzulänglichkeiten aufzuklären. Man will ja nicht das eigene Nest beschmutzen. Und Spieler, die etwas zugeben, wurden in der Vergangenheit geächtet. Deren Karriere war vorbei.

Ist im Fall Taboga erst die Spitze des Eisbergs erschienen? Und kommt noch der ganze Eisberg zum Vorschein?

Wichtig ist, dass das Interesse besteht, den Fall komplett aufzuklären. Angeblich will er ja mithelfen. Ich weiß nicht, wie tief der Fall geht. Die Erfahrung zeigt aber, dass dies meist kein Einzelfall ist, sondern dass ein Netzwerk dahinter steckt. Man darf sich in Österreich also nicht wundern, wenn es nach dem Fall Taboga weiterhin Wettbetrug gibt. Natürlich hat das alles eine abschreckende Wirkung. Aber wie lange hält die an? Wettbetrug wird man niemals komplett eindämmen können. Das ist ähnlich wie beim Drogengeschäft: Man kann es bekämpfen, aber nicht verhindern.

Was kann man dann dagegen tun?

Wenn man als Liga einen Wettanbieter als Hauptsponsor präsentiert, ist das vielleicht nicht das allerbeste Zeichen. Ich will dabei nicht den Wettanbieter kritisieren, denn es gibt auch seriöse. Ich halte es aber für ein fragwürdiges Signal.

Beschleunigt das Internet den weltweiten Wettbetrug?

Das ist ein Teil der Globalisierung und trägt sicher dazu bei. Wettbetrug geschieht weltweit wie Drogenhandel, Waffenhandel oder Menschenhandel. Mit all den Smartphones geht das Wetten den Menschen praktisch leicht von der Hand. Es ist virtuelles Geld, das man schnell und leicht investieren kann. Noch dazu kann man auf Kredit wetten. Man wird dann in eine Spirale reingezogen, ohne es zu merken.

Nennen Sie bitte ein paar wirksame Punkte, um Spielmanipulationen zu bekämpfen.

Aufklärung. Vor allem im Jugendbereich. Spielern und Eltern muss man die Gefahr vor Augen führen. Man kann ja auch auf Jugendspiele wetten. Da werden auf ein Match oft sechsstellige Summen gesetzt. Zudem muss die Rechtsprechung angepasst werden. Spieler müssen überall juristisch wegen Sportbetrugs belangt werden können. Und alle Beteiligten müssen auch ein ernsthaftes Interesse an der Aufklärung von Betrugsfällen haben. Die Fußballer-Gewerkschaften spielen dabei eine große Rolle, weil sie sehr nahe an den Spielern dran sind.

Die WM steht vor der Tür. Werden wir in ein paar Jahren erfahren, welche Spiele in Brasilien manipuliert worden sind?

Davon kann man leider ausgehen. Es stehen ja schon Spiele der Champions League unter Verdacht. Warum soll die WM dann eine Ausnahme sein? Im Profi-Fußball geht es um Geld. Moral und Ehre sind nicht wichtig.

Ist die Spielmanipulation seit dem Erscheinen Ihres Buches noch um Facetten reicher geworden?

Durchaus. Es gibt immer mehr Geisterspiele.

Wie bitte? Man setzt auf Matches, die es nicht gibt?

Ja. Syndikate schaffen es immer öfter, Spiele ins Portfolio von Wettanbietern zu bekommen, die niemals stattfinden. Das wird in Zukunft ein immer größeres Problem. Wie praktisch, denn dabei wird kein Spieler bestochen. Und das zeigt auch, was für ein lukratives Geschäft der Fußball ist.