6 Gründe für Austrias Vorsprung auf Rapid
Des einen Leid, des anderen Freud’. Während die Austria von der Tabellenspitze lacht, befindet sich Rapid vor dem 305. Wiener Derby in der Generali Arena (16 Uhr, ORFeins, Sky live) in einer veritablen Krise. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Rückstand auf die Austria 20 Punkte beträgt. Abseits des Sportlichen warten die Hütteldorfer auch schon lange auf positive Meldungen.
Nach dem Ende der Ära Schöttel ist es Zeit, die Entwicklungen seit seinem Trainer-Start nach dem Derby-Platzsturm 2011 zu analysieren. Wie sind die beiden Wiener Großklubs aufgestellt?
Austria und Rapid im großen KURIER-Vergleich:
Das Trainerteam
Austria: Wie rasant die Achterbahnfahrt sein kann, erlebte die Austria in 16 Monaten: Ivica Vastic wurde zum Cheftrainer befördert, danach stimmte man ein Klagelied an. Heute sorgt das Trainerteam um Peter Stöger für Jubelchöre. Auch dank der Mithilfe von Franco Foda, weil der Wunschkandidat Kaiserslautern vorzog. Stöger und Kollegen ist es gelungen, zum Team einen guten Draht aufzubauen. Die Erfolge waren freilich hilfreich.
Der Kader
Austria: Den Kader bilden fast dieselben Spieler, die vor einem Jahr in die sportliche Krise geschlittert sind. Im April 2012 wurde Vrsic als neuer Spielmacher angekündigt. Er kam drei Monate später und spielt seither keine Rolle. Ebenso wie Nacer Barazite, der von Monaco zurückgeliehen wurde. Einzig die Verpflichtung von Philipp Hosiner ist ins Gewicht gefallen. Ohne die Tore des Stürmers würde die Austria sicher nicht so gut dastehen.
Rapid: 22 Spieler in 22 Monaten – also ein gesamter Kader wurde unter Schöttel verkauft oder verabschiedet. Die Neuen waren zumeist jünger, billiger (Transferplus seit 2011: zwei Millionen Euro), oft auch nicht besser. Im Frühjahr stand von den ohnehin nur fünf Routiniers teilweise kein einziger auf dem Platz. Im Sommer ist für mehr Ausgewogenheit im Kader zu sorgen – allerdings kann kaum investiert werden.
Der Präsident
Austria: Wolfgang Katzian übernahm die Austria in der Post-Stronach-Ära, einer prekären Zeit. Der hemdsärmelige Gewerkschafter holte in persönlichen Gesprächen Austria-Ikonen wie Herbert Prohaska oder Andi Ogris zurück. Klare Worte findet Katzian auch im Umgang mit jenen radikalen Fans, die schon seit Jahren Probleme bereiten. Katzian, der altersbedingt agiler und entschlossener als Rudolf Edlinger wirkt, hat den strikten Kurs des Vereins mitvorgegeben.
Die Struktur/Das Management
Austria: Der Austria ist der Übergang von der Abhängigkeit von Frank Stronach in einen gut geführten Verein gelungen. Dabei haben sich die neuen Strukturen mit dem AG-Modell absolut bewährt. Markus Kraetschmer gibt als Finanz-Vorstand weder den Sparefroh noch den Prasser.
Gleichgestellt ist ihm Thomas Parits als Sport-Vorstand. Parits hatte lange Zeit ein glückliches Händchen bei den Verpflichtungen und Verkäufen von Spielern bewiesen, selbst Rapid (mit Unterstützung der „Rising Stars“) den einen oder anderen Spieler vor der Nase weggeschnappt. Zuletzt griff Parits jedoch mit Vrsic und auch Barazite ins Leere.
Im sportlichen Bereich wurde nach dem Rücktritt von Alfred Hörtnagl vor zwei Jahren auf einen Sportdirektor verzichtet – „ein Fehler“, wie Edlinger erkannte. Im Winter wurde Helmut Schulte verpflichtet. Sportmanager Stefan Ebner wurde gehalten und soll wieder in der zweiten Reihe wirken.
Das Stadion
Austria: Die Austria hat viel Geld in die Akademie und den Ausbau des Stadions mit der Aufstockung der Osttribüne investiert und sich somit ein beträchtliches negatives Eigenkapitals eingehandelt. Umgekehrt verkaufte man den Stadionnamen für eine Million pro Saison an Sponsor Generali. Kaum jemand stieß sich daran, dass die Austria in der Generali Arena und nicht mehr im Horr-Stadion spielt. Aber die Infrastruktur reicht für die Gruppenphase der Champions League nicht aus. Im Falle des Falles müsste man ins Happel-Stadion ausweichen, weil die Zufahrten zur Generali Arena eher an Regionalligaverhältnisse denn an die Königsklasse erinnern.
Rapid: Die Stadt Wien bekannte sich dazu, die Infrastruktur von Rapid mit der gleichen Gesamtsumme wie jene der Austria zu unterstützen und stellte im Herbst 2011 für den Stadionumbau und die (zuvor heimatlose) Akademie 26,4 Millionen Euro zur Verfügung. Erst danach untersuchten die Hütteldorfer den Zustand des Hanappi-Stadions und wurden davon überrascht, dass lediglich eine Renovierung zumindest 20 Millionen kosten würde. Seither werden Konzepte für einen Neubau entwickelt, sowohl die Finanzierung wie auch Genehmigung sind fraglich. Die Zeit drängt, weil der Beton bröckelt: In wenigen Jahren droht aus Sicherheitsgründen der Umzug in das Happel-Stadion.
Die Finanzen
Rapid: Trotz der Reduzierung der Gehaltskosten und des Einzugs in die Europa League rechnet Kuhn für diese Saison nur mit einem kleinen Plus „von 200.000 Euro“. Das negative Eigenkapital wäre damit auf 1,6 Millionen eingedämmt, bevor es in der kommenden Saison zu explodieren droht. Obwohl zwei Europacup-Runden budgetiert werden, fehlen laut Kuhn „knapp zwei Millionen“. Noch nicht eingerechnet sind dabei die Kosten für den Rauswurf von Trainer Schöttel. Außerdem fehlt noch ein Premium Sponsor: Mit „Orange“ läuft der bislang letzte Millionen-Vertrag, den Kuhn lukrieren konnte, aus.
Bilder vom Bundesliga-Samstag
Die Rapidler laufen am Sonntag mit Trauerflor ein – in Gedenken an Leopold Gernhardt, den letzten Zeitzeugen jener Mannschaft, die gegen Schalke deutscher Meister wurde. Sonst will Trainer Zoran Barisic vor seinem brisanten Debüt nur noch vorne schauen. Zum Platzsturm bei seinem letzten Einsatz als Interimstrainer 2011 meint er: „Lange vorbei. Ich kann es nur nicht vergessen,weil es mein Geburtstag war.“ Zur Gefahr der ersten Saison ohne einzigen Derbypunkt für Rapid sagt er: „Die Statistik ist mir wurscht. Genauso wie die Frage, wer Meister wird. Wir schauen nur auf uns.“
Der persönliche Einsatz soll der Mannschaft ein Vorbild sein. „Steinbichler wurde gerade Vater, arbeitet weiter bei den Amateuren und ist Reha-Coach am Rosenhügel. Das zeigt, wie uns Rapid am Herzen liegt“, erzählt Barisic.
Schlüsselfigur Kulovits
Bei den Spielern steigt Stefan Kulovits vom Reservisten zur Schlüsselfigur auf. „Er ist ein sehr wichtiger Spieler und ein verantwortungsvoller Mensch.“ Unter Barisic hatte der Kämpfer 2011 seine zwei besten Monate der gesamten Karriere und wurde sogar Teamspieler.
Die Austria konnte bei ihren drei Siegen über Rapid stets einen Doppeltorschützen vorweisen: Zuletzt Hosiner, davor Kienast und Gorgon. Bis auf den verletzten Barazite und die gesperrten Mader und Leovac steht Stöger der komplette Kader zur Verfügung. Jun sollte nach überstandener Augenverletzung einsatzbereit sein.