Ägypten: Eine Tragödie als Triebfeder
Für die Fans des ägyptischen Fußballvereins Al Ahly war es wie ein Märchen. Am Sonntag zog ihre Mannschaft ins Halbfinale bei der Klub-WM in Japan ein. Das entscheidende Tor zum 2:1 gegen den japanischen Vertreter Sanfrecce Hiroshima erzielte Mohamed Aboutreika.
Der charismatische Kapitän verkörpert auf dem Platz das, was die Ultras des Klubs außerhalb des Stadions sind – Al Ahly hat sich zu einem Faktor in der Politik in Ägypten entwickelt. Auf etwa 20.000 Personen wird der harte Kern der Fußball-Anhänger geschätzt. Trotz der relativ geringen Zahl war ihre Rolle letztes Jahr bei den Protesten gegen das Regime von Mubarak entscheidend. Die Ultras haben Erfahrung im Straßenkampf, sie sind gut organisiert und vernetzt. Durch diese Organisation und Krawallerfahrung waren sie die wichtigsten Stützen der Revolution auf dem Tahir-Platz im letzten Jahr.
Aufständische Fans
Die Ultras von Al Ahly sind seit dem Kampf gegen Mubarak der „militärische Arm“ des Aufstands. Wie bei Mubaraks Sturz stehen sie auch bei den aktuellen Protesten gegen Präsident Mohammed Mursi an vorderster Front. Sie sind mit Schlagstöcken und Leuchtraketen bewaffnet und bereit, Schläge einzustecken. Es sind junge Männer ohne Perspektiven, aber mit Zusammenhalt. Der Fußball ist ihre Religion, deshalb sind sie immun gegen die Radikalisierungsversuche der Islamisten. Die „Jungs“, wie sie genannt werden, marschierten auch diesmal wieder auf.
Dabei bekamen sie die Rache des Regimes schon zu spüren. Im Februar dieses Jahres kam es in Port Said beim Spiel zwischen Al Masry und Al Ahly zu Auseinandersetzungen im Stadion. Die Ultras von Al Ahly beschuldigen die Polizei, maßgeblich daran beteiligt zu sein.
Ihre Mannschaft gewann im September das afrikanische Pendent zur Champions League gegen Esperance Tunis. Und Kapitän Aboutreike meinte danach: „Der Pokal gehört den Märtyrern von Port Said und ihren Familien.“ 74 Menschen starben damals. Und bevor die Schuldigen nicht zur Verantwortung gezogen werden, wollen die Fans von Al Ahly keinen Fußball in Ägypten zulassen. Die Meisterschaft ist seit Februar ausgesetzt. Die Nationalmannschaft spielte in kleinen Militär-Stadien unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ebenso wie Al Ahly ihre Partien in der afrikanischen Champions League.
Der ägyptische Verband wollte im September einen Schritt in Richtung fußballerischen Alltag machen und setzte das Supercupspiel zwischen Cupsieger ENPPI und Al Ahly an. Doch deren Ultras drohten offen mit Gewalt, weshalb 10.000 Soldaten beim Spiel vor Ort aufmarschierten. Mohamed Aboutreika solidarisierte sich mit den Ultras und weigerte sich zu spielen. Er bekam von seinem Verein 150.000 Euro Geldstrafe und wurde für zwei Monate gesperrt.
Intelligentes Idol Der 34-Jährige, der ein Philosophiestudium abgeschlossen hat, verdeutlicht wie kein anderer Spieler, wie eng Fußball, Religion und Politik in Ägypten miteinander verbunden sind. Aboutreika hat sich noch nie davor gescheut, für seine Überzeugungen einzutreten. So hat er beim Afrika-Cup 2008 beim Torjubel sein Trikot in die Höhe gezogen, darunter stand auf dem T-Shirt „Sympathize with Gaza“. Der afrikanische Fußball-Kontinentalverband verzichtete nach dem Protest gegen die israelische Politik vor Millionenpublikum auf einen Bestrafung des Spielers.
Fußball als politische Manifestation – in Spanien sind das gleich zwei Vereine. Zum einen Athletic Bilbao, der Verein der Basken. Zum anderen, der FC Barcelona, der Klub der Katalanen. Beide Klubs wurden im Franco-Regime unterdrückt und stehen jetzt jenen nahe, die die Unabhängigkeit von Spanien fordern. So ist der derzeit beste Verein der Welt, klar politisch ausgerichtet. Der katalanische Schriftsteller Sergie Pamies über die historischen Grundlagen: „Für den Klub zu sein hieß, gegen das Regime zu sein. Deshalb wird Barça immer mehr sein als nur ein Verein.“
2009 beim Cupfinale („Copa del rey“) wurde in Valencia beim Abspielen der Nationalhymne trotz Anwesenheit von König und Königin gepfiffen. Es waren die Fans von beiden Finalisten, von Bilbao und von Barcelona. Der FC Barcelona selbst sieht sich als „Abbild der Stadt und der Region Katalonien“.
Im Stadion San Mames von Bilbao werden die gegnerischen Tormänner von den baskischen Fans nicht nur mit den drei üblichen Schimpfwörtern („cabron“, hijo de puta“, „maricon“) bedacht, sondern auch mit „espanol“. Spanier.