Nach Auftaktpleite: Deutschland in der Bredouille
Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Die Bild-Zeitung sagt Deutschlands Teamchef, was in fünf Tagen anders laufen muss. Sie fordert unter anderem Reus in die Startelf, Ballverluste zu stoppen, Tempo im Mittelfeld und Schluss mit sicheren Stammplätzen.
Joachim Löw wird sich mit der Hand auf die Stirn schlagen. Die Erleuchtung – so wird’s gemacht. Wahrscheinlich schaut er sich auch das Abstimmungsverhalten der Fans an. So fragte der Kicker: „Welche Spieler sollten gegen Schweden starten?“
Nach dem 0:1 gegen Mexiko ist eine ganze Nation beleidigt. Deutschland hat erstmals seit 7. Juli 2010 ein WM-Spiel verloren, seit dem 0:1 im Semifinale gegen Spanien. Vor vier Jahren wurden die Deutschen ungeschlagen Weltmeister. Und nun wollte man mehr. Deutschland sollte der erste erfolgreiche Titelverteidiger seit Brasilien 1962 werden.
Aber nun droht die jüngere Geschichte die Deutschen einzuholen. Die letzten beiden Titelverteidiger schieden jeweils bereits in der Gruppenphase aus, Italien 2010 und Spanien 2014. Nach dem alarmierenden Auftakt-Crash gegen Mexiko zogen sich Joachim Löw und seine entzauberten Weltmeister in ihr Refugium in den Wäldern von Watutinki zurück. Die Aufarbeitung der Pleite soll erst einmal ohne Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wenige Stunden nach der Pleite hatte der DFB einen medienfreien Tag angekündigt. Als zur Mittagszeit der Bus zum ZSKA-Trainingszentrum fuhr, sah man viele grimmige Gesichter hinter den Scheiben. Am Nachmittag war die Stimmung besser, dann durften die Spieler Zeit mit Familie, Frauen und Freundinnen im Hotel verbringen.
Sogar die Pressekonferenz mit Philipp Lahm wurde vom DFB abgesagt. Der WM-Kapitän von 2014 tourt als Botschafter für die EM 2024 durch Russland. Er wurde gestern bei einem Besuch in einer deutschsprachigen Schule dennoch zur Lage der Fußball-Nation gefragt. Von Kindern – und nicht von Journalisten. „Ein Rückschlag schadet nicht, um noch ein bisschen enger zusammenzurücken“, sagte der 34-Jährige. „Auch bittere Niederlagen haben uns zusammengeschweißt“, beruhigte er.
Unter Siegzwang
Denn schon wird vom frühen Aus geredet. Verteidiger Mats Hummels: „Wir müssen jetzt zwei Spiele gewinnen, sonst war es das mit der WM.“ Bei einer Niederlage am Samstag in Sotschi gegen Schweden wäre das Erreichen des Achtelfinales ein kleineres Fußballwunder. Aber Löw warnt vor voreiliger Panik. „Es gibt keinen Grund, völlig auseinanderzufallen, weil man ein Spiel verloren hat.“ Es grummelt aber im DFB- Team, der WM-Kurs stimmt nicht. Leistungsträger sind außer Form, eine gemeinsame Strategie von Offensive und Defensive existiert nicht. Von Löws entschlüsseltem Weltmeister-Code ist die Rede. Außenstürmer und Torschütze Hirving Lozano war Mexikos Mittel zum WM-Zweck. „Wir hatten einen Spielplan, den hatten wir schon vor sechs Monaten aufgestellt“, sagte Teamchef Juan Carlos Osorio.
Trotzdem machte sich schon gestern etwas Endzeitstimmung breit. War der 17. Juni 2018 womöglich der Anfang vom Ende einer Goldenen Generation? Acht Weltmeister von 2014 standen auf dem Rasen in Moskau. Aber sie schienen sich irgendwie fremd zu sein.
Sind einige Weltmeister inzwischen über dem Zenit? „Wir haben keine zu alte Mannschaft, davon sind wir weit entfernt“, wehrte Löw ab. „Unser Gerüst bilden Spieler, die über viel Erfahrung und eine hohe Qualität verfügen, auch wenn man das nicht so gesehen hat.“