Diskus-Ass Weißhaidinger: Der Pfundskerl
Vegetarier werden mit Lukas Weißhaidinger keine Freude haben. Wenn bei dem oberösterreichischen Diskuswerfer im Training die Kräfte nachlassen, kann es schon vorkommen, dass der 25-Jährige rasch eine Leberpastete verdrückt. Mit 5000 Kalorien ist sein Tagesbedarf doppelt so hoch wie der eines durchschnittlichen Mannes.
Dafür nötig sind drei große Mahlzeiten und zwei, drei kleinere zwischendurch. Hauptbestandteil der Nahrung ist feinstes Fleisch, "Edel-Benzin" nennt es Weißhaidinger. "Der Alltag richtet sich schon auch nach dem Essen", sagt der Olympia-Sechste. Bei fast zwei Meter Körpergröße wiegt er derzeit 142 Kilo. Die Zahl kommt ohne Zögern. Weißhaidinger hat – wie alle Leichtathleten – ein ausgeprägtes Gespür für seinen sensiblen Körper. Bloß eine leichte Verkühlung gleiche jetzt, am Beginn der Freiluftsaison, einer mittleren Katastrophe.
Neues Training
Erstmals konnte er heuer hier auch im Winter Diskuswerfen. In ein Fangnetz. Statt auf einem Asphalt-Wurfkreis bringt er sich hier mittels einer mobilen Holzplatte in Schwung. So lässt sich der komplexe Bewegungsablauf simulieren. Bevor es die Halle gab, musste sich Weißhaidinger aus Sicherheitsgründen mit einer Gummischeibe und einer Plastikplane begnügen - oder mit der eigens umgebauten Bauernhofhütte im Innviertel. Bei offenen Scheunentor warf er den Diskus auf ein Feld hinaus.
"Was die Trainingsbedingungen betrifft, schließe ich allmählich zu den anderen Nationen auf", sagt Weißhaidinger. Kürzlich ist in der Südstadt auch im Freien die neue Anlage fertiggeworden, der Wurfkreis stammt von den Olympischen Spielen 2012 in London. Gelingt so der große Wurf? "Selbst mit der modernsten Trainingshalle kannst du keine Fortschritte erzielen, wenn dir Wissen oder Vision fehlen."
Für beides zuständig ist Trainer Gregor Högler. Wenn der 44-Jährige über einen Diskuswurf spricht, fallen Begriffe wie gleichschenkelige Dreiecke, Querbeschleunigung und Reibungswiderstand. Leichtathletik ist Wissenschaft. Dennoch hat es etwas Kunstvolles, wenn der Diskus 60 Meter weit segelt.
Neues Ziel
"Um etwas Neues zu erschaffen, musst du manchmal das Alte einreißen", sagt Weißhaidinger. Die 64,95 Meter in Rio waren bereits gut, doch heuer bei der WM im August und 2020 bei Olympia werden 68 Meter für Gold nötig sein und 67 für Bronze. In diese Regionen will der Oberösterreicher, dessen Diskus unter idealen Bedingungen schon einmal nach 67,24 Metern gelandet ist, bald regelmäßig vorstoßen.
Olympia-Sechster lese sich schon nicht so schlecht auf der Visitenkarte. Jedoch offenbar nicht gut genug für die Veranstalter der Diamond League in Schanghai: Weißhaidinger steht nur auf der Warteliste. Trainer Gregor Högler wundert sich: "Wie kann die Nummer drei der Weltrangliste für ein Meeting nicht gut genug sein?"
Mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen trauen sich auch die Leichtathleten mit ihren sensiblen Körpern ins Freie. Die (Trainings-)zeit drängt, stehen doch die ersten Wettkämpfe an. Die prestigeträchtige Diamond League startet am 5. Mai in Katar. Die üppig dotierte Wettkampfserie führt heuer über 14 Stationen rund um den Globus bis zum Finale am 1. September in Brüssel.
Der absolute Höhepunkt steigt 2017 aber von 4. bis 13. August in London: die Weltmeisterschaft. Im Olympiastadion sind alle Augen auf Usain Bolt gerichtet. Der Jamaikaner sprintet dort in die Pension. Rot-weiß-rote Spitzenplätze sind von Lukas Weißhaidinger und den Mehrkämpfern um Ivona Dadic zu erwarten. Deren Generalprobe steigt in Götzis (27./28. Mai).