Wolf: „Dinko Jukic hat mir geschadet“
Am Samstag beginnen bei der WM in Barcelona die Schwimmbewerbe. Österreich stellt vier Athleten, 2011 sind es noch zwölf gewesen, zwei Jahre davor gar noch 18.
Nationaltrainer Marco Wolf, 37, im Interview.
KURIER: Ist es so schlecht um den Schwimmsport bestellt?
Marco Wolf: Man muss schon anmerken, dass zwei, drei Athleten ganz knapp an der Norm gescheitert sind. Die Qualifikationszeiten werden ein bis zwei Jahre davor festgelegt. Bei der WM 2009 war das bevor die schnellen Ganzkörper-Anzüge aufgekommen sind. Damit haben sich einige Schwimmer qualifiziert, die es mit herkömmlicher Ausrüstung vermutlich nicht geschafft hätten. Aber jammern will ich hier nicht...
... weil?
Wir haben Talente. Das sind eine Handvoll. Der Verband muss nun Strukturen schaffen, in denen Leistung planbar ist. Bisher war es mitunter Glück und Zufall, wie Erfolg zustande gekommen ist. Beim Skiverband wird Leistung produziert. Dorthin müssen wir auch kommen.
Ist Schwimmen nicht mehr zeitgemäß?
Das Problem haben nicht nur wir. Die große Herausforderung ist es, junge Menschen zum Hochleistungssport zu bringen. Schwimmen bedeutet Qualen. Trainer und Verband müssen Anreize bieten, sich diesen Qualen zu stellen. Olympia in London wäre so ein positives Erlebnis gewesen.
Wäre?
Ich hatte zwei Einzelsportler dorthin gebracht, was auch eines meiner persönlichen Ziele gewesen ist. Und dort werde ich dann als Versager und Tourist dargestellt. Wie soll ich daheim dann einen 15-Jährigen für 2016 oder 2020 motivieren?
Haben sich Ihre Athleten ungerecht behandelt gefühlt?
Jeder kann versuchen, die Olympia-Norm zu schaffen. Versuchen Sie die 400 Meter in 3:49 Minuten zu kraulen. Da wünsche ich viel Spaß beim Training. Niemandem wird die Qualifikation geschenkt. Die Aussage war ein Schlag ins Gesicht.
Danach bestimmte Dinko Jukic die Schlagzeilen, der vom Verband gesperrt wurde und dagegen gerichtlich vorging.
Ich bin Ewigkeiten nicht mehr zur Leistung meiner Athleten befragt worden. Den Sportlern geht es ähnlich. Jukic ist ein Top-Schwimmer, einer der besten, den wir je gehabt haben. Aber er hilft mir und meinen Sportlern nicht. Im Gegenteil.
Im Gegenteil?
Er hat mir sogar geschadet, weil er gegen Leistungszentren geschimpft hat und sich als Robin Hood des Schwimmsports dargestellt hat. Seitdem hat man ihn nie wieder gesehen. Ich habe nicht einen Euro mehr für meine Sportler bekommen. Und bei uns geht es bereits um Trainingslager-Zuschüsse von 200 Euro. Robin Hood sollte doch den Bedürftigen helfen – oder zumindest dafür eintreten, die knappen Mittel gerecht zu verteilen.
War man in Österreich verwöhnt durch die Erfolge von Rogan und den Jukic-Geschwistern?
Natürlich. Und der Verband hat diese Erfolge perfekt vermarktet. Aber diese Athleten verkörpern keine typisch österreichischen Schwimmer. Markus kommt aus dem US-System, der Jukic-Clan war ein Familienbetrieb. Die beiden kamen aus einem der größten Wiener Schwimmvereine. Und was war der Output? Zwei Mal Jukic. Von den anderen hat man nie etwas gehört. Zeljko Jukic war ein exzellenter Trainer, der zwei absolute Weltklasse-Schwimmer geformt hat – aus seinen beiden Kindern.
Das Schwimm-Training gilt als hart. Gehört Drill dazu?
Wenn Drill ständiges Üben und Wiederholen bedeutet, dann ja.
Können die Top-Nationen mehr und härter trainieren?
Nein. Unser Training mit täglich bis zu fünf Stunden im Wasser ist sehr oft am Limit der Belastungsgrenze. Der Unterschied ist: Bei den amerikanischen Meisterschaften gibt es mehrere Dinko Jukic’, zehn David Brandls und viele Lisa Zaisers. Die Chance, dass von denen einer oder eine Weltklasse wird, ist groß. Hätte ich im Training zehn David Brandls würde ich oft viel härter trainieren lassen, weil ich weiß, einer wird überleben. Wenn wir bei unserem jetzigen Top-Schwimmern im Training zu viel riskieren, haben wir bei der nächsten WM vielleicht gar keinen Starter.
Welche Rolle spielt Glück?
Keine. Das ist ja das Gemeine, aber vielleicht auch das Schöne. Im Schwimmen oder in der Leichtathletik gibt es kein Glück. Im Tennis oder im Fußball kann der Außenseiter den Besten mal schlagen. Im Schwimmen kann ich nicht sagen, dass David Brandl nach Barcelona fährt und an einem guten Tag Ryan Lochte über 200 Meter Kraul besiegt, weil er gute Wellen gehabt hat oder eine schnelle Badehose.
Medaille? Nationalcoach Marco Wolf schüttelt den Kopf. Finale? Wieder Kopfschütteln. Halbfinale? „In diesem Bereich befinden sich unsere Schwimmer. Das wäre ein Erfolg. Bei den Mitteln, die wir für den Schwimmsport zu Verfügung haben, sind WM-Medaillen unrealistisch“, sagt er.
Der 37-jährige Salzburger hat das Kommando über ein kleines, aber feines Team. Vier OSV-Athleten stehen ab heute an den Startsockeln, wenn die Titelkämpfe in Barcelona auf der Langbahn in die heiße Phase eintauchen. Lisa Zaiser (Kärnten), Caroline Reitshammer (Tirol), David Brandl (OÖ) und Jakub Maly (Burgenland) treten in insgesamt elf Bewerben an. Eurosport überträgt Vor- und Finalläufe live, ORF Sport + ab 18 Uhr jeweils die Medaillenentscheidungen.
Zu Ende gegangen ist gestern die erste Bewerbswoche der Titelkämpfe. Für Wasserspringerin Sophie Somloi war vom 3-Meter-Brett bereits im Vorkampf Endstation: Die 19-jährige Wienerin belegte Rang 36.