Ski-Legende Schranz: "Die Ungerechtigkeit beschäftigt mich bis heute"
Von Peter Gutmayer
KURIER: Das Kitzbühel-Wochenende hat gestern begonnen. Fiebern Sie da mit, oder ist das wie jedes andere Rennwochenende auch?
Karl Schranz: Normalerweise wäre ich jetzt in Kitzbühel. Aber heuer ist alles anders, alles wird kontrolliert, es gibt draußen keine Tische, es hat wenig Informationen gegeben. Da hab ich mir gedacht, nein, da fahr ich lieber nach Wien.
Vor fast genau 50 Jahren sind Sie von den Olympischen Spielen in Sapporo ausgeschlossen worden. Wie war das damals aus politischer Sicht für Sie, als Ihnen am Ballhausplatz 100.000 Menschen zugejubelt haben?
In dem Moment empfindet man nichts. Ich habe keine Emotionen gehabt. Ich habe nur gedacht: Was ist da los? Erst später habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen. Ich bin immer beschissen worden, auch in Frankreich vier Jahre zuvor. Da hätte ich gewonnen.
Wie stark ist eigentlich die Gefahr, dass man als Sportler von Politikern vereinnahmt wird?
Man hat das selber in der Hand, aber man tut anscheinend nichts dagegen. Bundeskanzler Kreisky wollte damals nicht mit mir auf den Balkon. Erst am Schluss, nachdem ich ihn darum gebeten hatte, kam er raus zu mir. Aber nur kurz.
Sehen Sie Parallelen zwischen Ihnen und Novak Djokovic?
Nein. Klar, er ist die Nummer eins, einer der besten Tennisspieler der Welt. Doch er lässt sich nicht impfen – obwohl er sechs Monate vorher weiß, dass das passieren muss. Die Australier sind da streng, da verstehe ich auch die Position der Regierung. Er hat es trotzdem probiert, das ist Provokation.
Verstehen Sie auch die Position des Sportlers, der wegen der Impfung Sorge um seinen Körper – also sein Kapital – hat?
Ja, natürlich. Aber dann muss ich gleichzeitig wissen, dass ich dann nicht nach Australien reisen kann.
Hat Sie der Olympia-Ausschluss und alles, was dann folgte, größer gemacht als Olympia-Gold?
Vielleicht ja, ich glaube schon. Aber das wollte ich nicht, ich wollte den Olympiasieg. Die Ungerechtigkeit beschäftigt mich bis heute.
2014 waren Sie Berater von Wladimir Putin für die Winterspiele in Sotschi. Wie haben Sie ihn kennengelernt, haben Sie noch Kontakt?
Ja, wir haben noch Kontakt. Freundschaftlichen Kontakt. Kennengelernt haben wir uns bei der WM in St. Anton, danach waren wir gemeinsam Ski fahren. Später wollte er, dass ich nach Russland komme.
Stimmt es, dass Sie mit Putin gemeinsam Turnübungen gemacht haben?
Ja, wir waren im Kreml bei ihm im Büro. Er hat gemeint, ihm tue das Kreuz so weh, da habe ich gesagt, ich wisse ein paar Übungen. Also haben wir unsere Sakkos ausgezogen und uns auf den Boden gelegt und geturnt.
Wie kann man sich diese Beratungen für den russischen Präsidenten vorstellen?
Er hat mir einen Jet nach Innsbruck geschickt, und ich bin nach Moskau geflogen. Ich habe ihm gesagt, das mit Olympia müsse er mir erklären. Ich habe ein Vier-Augen-Gespräch verlangt, das habe ich bekommen. Dann habe ich ihm so fünf Punkte gesagt, die er einhalten muss.
Wie haben Sie Putin wahrgenommen?
Unwahrscheinlich nett, ein Mensch wie du und ich. Und er spricht perfekt Deutsch.
Kommen wir in die Gegenwart: Sie haben ein Hotel am Arlberg. Wie läuft es in Zeiten von Corona?
Wir haben Unterstützung vom Staat bekommen. Die war wichtig, sonst hätte ein Großteil der Betriebe nicht überlebt. Jetzt sind wir relativ gut gebucht, aber die Schweizer fangen uns die Leute ab, die sehen Corona ja wie eine Grippe.
Plädieren Sie dafür, die Schutzmaßnahmen auch in Österreich zurückzufahren?
Vielleicht im nächsten Jahr die Maske nur in der Grippezeit.
Wird es in Österreich noch einmal Olympische Spiele geben?
Da müsste das IOC umdenken. Olympia müsste wieder kleiner werden.