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„Die Schweizer Herren sind im Eimer“

Bernhard Russi, 63, hat als Pisten-Designer schon für etliche Großereignisse die Abfahrtsstrecken konzipiert. Auf der Planai hatte der ehemalige Olympiasieger nicht seine Finger im Spiel. „Der Berg ist nicht der idealste für eine Abfahrt“, erklärt der Schweizer. „Da muss man mit der Kurssetzung nachhelfen, und das haben sie hier in Schladming gut gemacht.“

KURIER: Herr Russi, welcher Typ Abfahrer ist hier gefragt?
Bernhard Russi:
Man sollte schon auf der Gleiterseite sein. Aber das alleine reicht nicht. Die Übergänge erfordern ein gewisses Feingefühl beim Fahren. Aber der Schwere, der Große, der hat sicher Vorteile. Ein Paris, ein Kröll oder auch ein Svindal.

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Das sind die üblichen Verdächtigen. Kann es hier keinen Überraschungsweltmeister geben?
Es kann passieren, es wäre ja auch nicht das erste Mal bei einem Großereignis. Ich habe es mir ausgerechnet: Bei den letzten 20 Meisterschaften waren 30 Prozent der Weltmeister Überraschungsweltmeister. Zwilling, Tauscher, Lehmann, Kucera, Russi. Ich war 1970 klarer Außenseiter. Ich bin sogar der Meinung, dass es in Zukunft in der Abfahrt sogar öfter sogenannte Überraschungen geben wird.

Wie kommen Sie darauf?
Wir haben ein kleines Paket von Top-Favoriten, aber daneben gibt es auch noch zwei Dutzend theoretische Medaillengewinner. Die Abfahrt ist eine heikle Disziplin: Eine Wolke weg, die Sonne kommt raus, und das macht gleich eineinhalb, zwei Sekunden aus. Da kann dann auch die Nummer 34 Bestzeit fahren.

Provokante Frage: Können das auch die Schweizer?
Ich glaube schon. Sicher, sie fahren nicht auf einem hohen Niveau in dieser Saison. Vor allem was die Technik betrifft. Aber so eine Fahrt kann passieren, und solche Sachen können auf einmal den Knopf lösen.

Wie wichtig war denn für das Schweizer Team die Silbermedaille von Lara Gut?
Ganz ehrlich: Ich glaube, das Herren-Team ist im Moment im Eimer. Da nützt dann auch eine Medaille von den Frauen nichts. Was können sich die Herren davon kaufen? Nichts. Und dann reden wir im Skifahren ja von einem Einzelsport. Und das Damen-Team war den ganzen Winter über erfolgreich.

Warum stecken die Schweizer Herren im Kollektiv in der Krise?
Man ist den falschen Weg gegangen, hat die Hausaufgaben nicht gemacht – vor allem im Detail. Ich finde, dass man sich zu sehr auf das Material konzentriert hat. Mir kommt vor, dass es heißt: ‚Die Skier reagieren nicht so gut, also muss ich einen anderen probieren.‘ Anstatt: ‚Das ist ein Krüppelski, der kann nichts, aber ich bin ein guter Skifahrer und zeige, wie es funktioniert.‘

Den Ski zähmen?
Genau. Wie ein Pferd, das nicht weiß, wie man springt. Da kann man ja dann auch nicht gleich das ganze Pferd austauschen.

Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Natürlich geht diese Negativspirale nach unten, die kannst du jetzt auch nicht mehr stoppen mitten in der Saison. Was jetzt geschehen ist, das hat mit dem Können auch nichts mehr zu tun, das ist längst auch eine Kopfsache. So schlecht sind sie auch wieder nicht. Aber ich glaube trotzdem, dass die ganze Mannschaftsleitung inklusive Trainer durchmischt werden muss.

Braucht es auch Know-how aus dem Ausland?
Ausland, Nicht-Ausland. Ich hätte am liebsten den Besten. Nur der ist leider nicht mehr im Gespräch.

Wen meinen Sie?
Der beste Mann auf dem Markt, um so eine Aufgabe zu übernehmen, ist der Toni Giger. Der bringt enormes Know-how mit. Der hat seine Stacheln abgekratzt, hatte einen riesigen Push und jetzt hat er sich in seiner neuen Funktion beim ÖSV beruhigen können. Ich glaube, Giger wäre heute noch besser als vorher. Aber man muss akzeptieren, dass er nicht der Cheftrainer wird.