Sport

Der Ski-Verband und die lieben Familien

Die beste Nachwuchs-Langläuferin der Welt ist ein Phantom. Sie scheint nicht auf der offiziellen Homepage des österreichischen Skiverbandes auf, sie findet sich in keiner Kader-Liste, und auch im Athleten-Jahrbuch, das der ÖSV vor jedem Winter veröffentlicht, ist für sie kein Platz . Für den Österreichischen Skiverband scheint Teresa Stadlober, die sich vor wenigen Wochen in Liberec als erste Österreicherin überhaupt zur Junioren-Weltmeisterin im Langlauf gekrönt hat, nicht zu existieren.

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Im vergangenen Winter hatte sich die 20-Jährige vom mächtigen ÖSV losgesagt. Seither geht sie gemeinsam mit ihrem Vater Alois Stadlober ihren eigenen Weg. Ein erfolgreicher und ein umstrittener Weg, der sie bis zu Junioren-WM-Gold und nun auch zur Nordischen WM in Val di Fiemme geführt hat. „Man sieht, dass es auch als Österreicher möglich ist, im Langlauf ganz vorne dabei zu sein“, sagt Alois Stadlober.

Als ehemaliger Weltklasse-Langläufer und Weltmeister (1999) weiß der gebürtigte Steirer, worauf es im Ausdauersport ankommt. „Es geht vor allem darum, dass man das Training individuell auf die Athleten abstimmt“, erklärt Stadlober. „Aber genau das habe ich beim ÖSV ein wenig vermisst. Beim Österreichischen Skiverband glauben sie halt immer, dass nur sie gut trainieren.“

Und so können auch langjährige Freundschaften enden. Weil die stundenlangen Diskussionen mit Damen-Coach Alexander Marent, zu aktiven Zeiten Stadlobers Zimmerkollege, zu keinem Ergebnis führten, wurde schließlich aus Papa Stadlober („ich wollte mitreden, was das Training meiner Tochter betrifft und auch mitentscheiden“) auch noch der Trainer Stadlober. Die Kritik ließ nicht allzu lange auf sich warten. „Ich bin hingestellt worden als Vater, der nicht loslassen kann.“

15.000 Euro kostete das Privat-Vergnügen außerhalb der Strukturen des Skiverbandes. Doch der Erfolg gibt dem Familien-Projekt nun freilich recht und er sorgt bei Stadlober so nebenbei auch durchaus für Genugtuung. „Alle haben ja nur darauf gewartet, dass es nicht aufgeht“, meint Alois Stadlober, „ich kann das ja auch verstehen. Als Österreichischer Skiverband will ich keine Einzelkämpfer haben.“

Ausreißer

Dabei ist auch der Skizirkus nur allzu oft eine Familien-Angelegenheit: Schon Marc Girardelli schwor seinerzeit auf das Training mit dem Herrn Papa; auch Janica und Ivica Kostelic ließen sich von ihrem erfolgsbesessenen Vater schinden, für die Schweizerin Lara Gut ist der Vater ebenfalls eine wichtige Vertrauensperson, und die junge US-amerikanische Slalom-Weltmeisterin Mikaela Shiffrin tingelt mit der Mama von Rennen zu Rennen.

Nicht zuletzt Marcel Hirscher bestätigte in den letzten Jahren, wie wichtig eine Vaterfigur und Vertrauensperson aus dem engsten Umfeld ist. Papa Ferdinand Hirscher ist für den Weltcup-Gesamtsieger zum wichtigsten Ratgeber und Ansprechpartner geworden. Der Vater begleitet ihn zu den Rennen, besichtigt auch die Kurse und gibt seinem Sohn noch unmittelbar vor den Rennen via Telefon die letzten wertvollen Tipps.

Extrawürste

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Das System Hirscher funktioniert offenbar genauso wie das System Stadlober. Nur fällt Kritik am amtierenden Slalom-Weltmeister und Superstar der Szene bereits unter Majestätsbeleidigung. „Für mich gibt’s Extrawürste“, weiß der 23-Jährige. „Aber wir sind damit erfolgreich.“

Markus Gandler, Langlauf-Sportdirektor beim ÖSV, will die beiden Familien-Fälle erst gar nicht vergleichen: „Der Marcel hat so viel Erfolg, er steht so weit oben und so weit drüber.“ Ähnliche Extrawürste würde einem kleinem Team wie dem der Langläufer aber schaden. Um nicht noch eine Freundschaft zerbrechen zu lassen ist noch in Val di Fiemme ein Gipfel mit Trainer-Vater Alois Stadlober geplant. „Ich hoffe, dass es ein Umdenken gibt. Aber das wichtigste ist: Hauptsache das Dirndl bringt Leistung.“ Und er hofft, dass die Juniorenweltmeisterin wieder zum ÖSV stößt.

Onkel, Tanten, Neffen, Nichten, Enkel. In Österreichs nordischem Skisport geht es sehr familiär zu. Das ist nicht nur als Stimmungsbild zu sehen, sondern auch als Sittenbild. Der KURIER enthüllt das Gendoping zwischen Loipe und Schanze – und musste einsehen, dass es sich um eine äußerst legale Methode handelt, die den nordischen Spitzensport in Österreich mit Nachwuchs versorgt.

„Egal, was und wie. Unsere Kinder sollten sich bewegen“, sagt Alois Stadlober. Der Langlaufweltmeister von 1999 ist mit der ehemaligen Weltklasse-Slalomfahrerin Roswitha Steiner verheiratet. Stadlober: „Teresa und Luis haben auch Skifahren trainiert, sind aber beim Langlauf hängen geblieben. Das hat ihnen besser gefallen, weil es familiärer und lustiger zugegangen ist.“ Tochter Teresa (20) hat sich inzwischen zu einer großen Hoffnung des österreichischen Langlaufs entwickelt. Sohn Luis (21) ist auf dem besten Weg dazu.

Wie auch Natalie Schwarz (19), die Tochter von Alois Schwarz. Der ehemalige Olympia-Langläufer und spätere Trainer ist vor 14 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Staffel-Weltmeister Markus Gandler, der Firmpate, hat nach dem Tod des Freundes immer ein Auge auf Natalie gehabt, die ebenfalls zur WM ins Val di Fiemme gekommen ist. Aber auch die Töchter von Markus Gandler schreiben sich schon in Langlauf- und Innsbrucker Stadtlauf-Ergebnislisten ein: Anna (12) und Lara (9).

1999 hat Maria Theurl Österreichs bislang einzige Damen-Langlaufmedaille geholt und später den Langläufer Achim Walcher geheiratet. Wenn die Familie bei einem Volkslauf antritt, schaut das oft so aus: Achim wird Erster bei den Herren, Maria Erste bei den Damen, Sohn Paul (7) Zweiter bei den Buben, Tochter Witta (10) Erste bei den Mädchen.

Auch bei Andreas Widhölzl, Olympia-Bronzener und Tourneesieger, steht die nächste Generation schon im Anlauf zur Erfolgsspur. Sohn Noah (12) gilt als großes Skisprung-Talent.

Wie Stadlober hat auch Ernst Vettori, der Skisprung-Olympiasieger von 1992, eine nordisch-alpine Ehegemeinschaft geschlossen, mit Sieglinde Winkler. Tochter Marion (24) ist neben Ex-Springerin Eva Ganster und Claudia Denifl (Schwester von Kombinierer Wilhelm) eine der wenigen weiblichen Sprungrichterinnen. Marions Freund, somit Vettoris Schwiegersohn in spe, ist Matija Druml. Der ist Universitätsassistent, Hobby-Kombinierer, Vorspringer und Bruder des WM-Kombinierers Tomaz.

Sohn Nils Vettori (21) hat die Karriere als Kombinierer beendet, ist aber dem Sport verbunden und arbeitete bei den olympischen Winterjungendspielen in Brasov bei der Zeitnehmung mit. Auch sein ehemaliger Stams-Schulkollege Björn Felder (21), Sohn von Andreas Felder, ehemaliger Topspringer und Österreichs Teamchef, hat mittlerweile auskombiniert.

Björn und Nils, wie die Väter gute Freunde, wurden in Stams von Nils’ Tante Brigitte Koch unterrichtet. Hier kreuzen einander zwei nordische Stammbäume.

Der Vettori-Clan: Altvater Wilfried war aktiver Sportler und danach Cheftrainer der Kombinierer. Diesen Karriereweg machte auch Sohn Günter (50). Ernst (48) wurde Skispringer.

Die Koch-Bande: Vettoris Schwester Brigitte heiratete den Skispringer und Ex-Cheftrainer der Österreicher, Heinz Koch. Deren Sohn Björn versucht es nächste Saison noch einmal als Skispringer. Der 20-Jährige flog zuletzt in Oberstdorf als Vorspringer mehr als 200 Meter weit. Heinz’ Neffe Martin Koch wurde nicht ins Val di Fiemme mitgenommen und kann sich daher nicht vor den Augen von Onkel Armin Kogler, ORF-Kommentator und Ex-Springer, in Szene setzen.

Die Koch-Linie hat ihren Ursprung in Kärnten. Skispringer Alfred Groyer hatte zwei Schwestern: Eine heiratete Kogler, die andere den Vater von Martin Koch.

Alles klar?

Einfacher schaut die Sache bei Toni Innauer aus, der seine Marlene, eine Langläuferin in der Kaderschmiede Stams kennenlernte. Mario (23), jüngstes der drei Innauer-Kinder, war Wegbegleiter des gleichaltrigen Gregor Schlierenzauer. Während Gregor im siebenten Himmel schwebt, stagniert Marios Springerkarriere. Noch steht er im ÖSV-Kader.

Voll dabei ist Biathlet Simon Eder (seit gestern 30). Schon Vater Alfred Eder war WM-Medaillengewinner.