Das russische Doping-Desaster
Von Florian Plavec
Systematisches Doping, Korruption, angekündigte Dopingtests. Und jetzt auch noch das: Mit Maria Scharapowa wurde die schillerndste Sportlerin des Landes als Betrügerin überführt. Der 28-Jährigen droht eine Sperre von zwei Jahren. Was in der stolzen Sportnation Russland vorgeht:
Was ist geschehen?
Maria Scharapowa hat nach eigenen Angaben seit 2006 das Herzmittel Meldonium genommen. Sie sei oft krank gewesen, es habe Anzeichen von Diabetes gegeben, die EKG-Ergebnisse seien unregelmäßig gewesen. Seit 1. Jänner 2016 steht das Mittel auf der Dopingliste. Scharapowa wurde eine Urinprobe am 26. Jänner zum Verhängnis. "Ich habe nicht auf die Liste geschaut", sagt sie.
Ist das glaubwürdig?
Wer ist noch betroffen?
Wird das Medikament nach diesem Skandal vom Markt genommen?
Im Gegenteil. Die russische Webseite RUPharma verkaufte nach dem Geständnis von Scharapowa innerhalb von 24 Stunden 150 Packungen Mildronat – im Vergleich zu 850 im gesamten Vorjahr. Der Preis sei verdoppelt worden, sagte ein Sprecher der Firma: "Wir nennen Mildronat schon scherzhaft Scharaponat." Derzeit ist das Mittel ausverkauft und kann um 35 Euro nur vorbestellt werden.
Hat Doping in Russland immer noch System?
Werden die russischen Leichtathleten bei Olympia starten?
Das ist unsicher. Um eine Aufhebung der Sperre zu bewirken, müssen die Kriterien des internationalen Verbandes IAAF erfüllt werden, was vorerst nicht der Fall ist. "Es ist keine revolutionäre Lösung in Sicht", sagte Sportminister Witali Mutko am Freitag nach der Tagung des IAAF-Councils. Es mehren sich Stimmen, die ein Antreten der russischen Leichtathleten ablehnen. Auch Dick Pound, Chef der WADA-Kommission, glaubt nicht an eine Aufhebung der Suspendierung vor Olympia.
Was wäre Olympia ohne russische Leichtathleten?
Was sagt das offizielle Russland?
Auf höchster Ebene werden Ansätze von Selbstkritik sofort gestoppt. Es dürfe nicht sein, dass ein Schatten auf die Leistungen des russischen Sportes falle, sagte Putin-Sprecher Dmitri Peskow: "Es geht um einzelne Sportler, um einzelne Fälle. Man darf die Situation nicht auf den gesamten russischen Sport übertragen." Grundsätzlich werden Dopingvorwürfe nicht als Problem, sondern als westliche Verschwörung gesehen. Sportminister Mutko kritisierte die Diskussion als "politisiert". Der Chef des Eisschnelllauf-Verbandes behauptete gar, dass Meldonium den Sportlern untergeschoben wurde.
Gibt es auch kritische Stimmen in Russland?
Wassili Schestakow von der Kremlpartei Geeintes Russland sieht die "Schuld beim gesamten Trainerstab". Versagt hätten Verbände und Funktionäre. Die Zeitung Sport-Express sieht Russland am Scheideweg. "Halten wir Doping tatsächlich für ein Übel und eine Gefahr für die Gesundheit der Nation, die schwerer wiegt als unsere möglichen Siege?" Dann müsse ernsthaft etwas getan werden. Es reiche nicht, die Vorwürfe immer wieder nur als "antirussische Kampagne im Weltsport" abzutun.