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Cancellara: Die Kehrseite des Superstars

Wie eine Diva tritt er ja nicht auf. Eher wie einer, der es allen recht machen will. Geduldig schreibt Fabian Cancellara Autogramme, lächelnd posiert er für Erinnerungsfotos vor der Innsbrucker Hofburg.

Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Startschuss der 65. Österreich-Radrundfahrt, aber der Trubel um seine Person lässt den Schweizer völlig kalt. Fabian Cancellara ist die Freundlichkeit und Gelassenheit in Person.

Ist das wirklich der Superstar, dem von manchen Weggefährten richtige Allüren nachgesagt werden? Handelt es sich hier tatsächlich um jenen exzentrischen Radprofi, der über sich selbst sagt: „Ich bin eine Diva und werde immer eine Diva bleiben?“

Ruhezone

Er ist es wirklich und er genießt es sichtlich, dieser Tage in Österreich zu sein und nicht bei der Tour de France. „Hier geht es eindeutig ruhiger zu“, lächelt der prominenteste Starter bei der diesjährigen Österreich-Rundfahrt, „und es ist angenehm, dass es hier weniger Stress gibt.“

Cancellara hat heuer ganz bewusst auf die Teilnahme an der Tour de France verzichtet. Der Sommer ist für den 32-Jährigen diesmal lediglich eine Zwischenetappe, „heuer ging es für mich in erster Linie um das Frühjahr und den Herbst“, erklärt Cancellara, der mit den Siegen bei den Klassikern ParisRoubaix und bei der Flandern-Rundfahrt bereits zwei Saisonziele erreicht hat.

Ehrensache

Die größte Herausforderung hat der erfolgsverwöhnte Berner aber noch vor sich. Bei der Rad-WM im Herbst in Florenz will der vierfache Weltmeister im Zeitfahren endlich auch einmal ins Regenbogentrikot des besten Straßenfahrers schlüpfen. „Jeder weiß, dass mir dieser Titel noch fehlt und dass ich darauf hinarbeite.“

Der Abstecher zur Österreich-Rundfahrt bietet sich für den Star vom RadioShack-Team perfekt an. „Ich brauche Rennpraxis“, erklärt Cancellara, „und Touristenradfahren daheim wollte ich in dieser Phase nicht unbedingt machen.“

Also macht er jetzt Österreich die Aufwartung, was der Schweizer keinesfalls als Pflichterfüllung sieht. Vielmehr ist es für ihn eine Frage der Ehre, die nächsten Tage durch Österreich zu rollen. „Auch kleine Rennen haben es verdient, große Leute zu haben. Die Österreich-Rundfahrt ist ein Riesending.“

Sprachs und schickte im selben Atemzug noch eine Grußbotschaft an den ORF, der auf die aufwendigen und kostenintensiven Liveübertragungen des Rennens verzichtet. „Es gibt auch noch etwas anderes als Skifahren und Skispringen. Man sollte dem ganzen Land zeigen, dass das eine Rundfahrt ist, die in den Kalender gehört.“

Talentprobe

Zumal ein Österreicher beim Heim-Highlight ins Rampenlicht radelt. Bei der schwierigen Auftaktetappe ins 2000 Meter hoch gelegen Kühtai präsentierte sich am Sonntag Riccardo Zoidl in Hochform.

Der 25-jährige Oberösterreicher (Team Gourmetfein Wels) kam hinter dem Belgier Kevin Seeldraeyers (Astana) sensationell als Zweiter ins Ziel. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagte Zoidl, dem nun auch in der Gesamtwertung ein Spitzenplatz zugetraut werden kann.

Denn auch das Kitzbüheler Horn, das heute angesteuert wird, sollte für den Allrounder keine Hürde sein. „Die Top Fünf sind für mich sicher möglich“, glaubt Zoidl.

Karriere

Fabian Cancellara (*18. März 1981 in Wohlen) radelt seit einem Jahrzehnt mitten in der Weltklasse. Der Schweizer ist einer der besten Zeitfahrer der Welt und ein Spezialist für die großen Ein- Tages-Klassiker. Bereits vier Mal wurde Cancellara Weltmeister im Zeitfahren (2006, 2007, 2009, 2010), in Peking holte er 2008 Olympiagold in seiner Parade- disziplin (Bild links). Heuer gewann der 32-Jährige zum dritten Mal das Kultrennen ParisRoubaix und zum zweiten Mal die Flandern- Rundfahrt. 2009 gelang ihm der emotionale Sieg bei der Tour de Suisse. Cancellara ist einer der berühmten Schweizer 81er- Generation. Diesem erfolgreichen Jahrgang gehören auch Roger Federer und Simon Ammann an.