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Der tiefe Fall des letzten Mayweather-Bezwingers

Der Name Serafim Todorow wird heute nur den Hardcore-Boxfans ein Begriff sein. Der Bulgare war in den 80er und 90er Jahren drei Mal Weltmeister, zweimal im Feder-, einmal im Bantamgewicht. Zudem krönte er sich dreimal zum Europameister in diesen beiden Kategorien. Todorow nahm an zwei Olympischen Spielen teil, bei seinen letzten 1996 in Atlanta erkämpfte er sich die Silbermedaille. Auf dem Weg dorthin besiegte er im Halbfinale einen gewissen Floyd Mayweather Jr.. Jenen Mann, der am 2. Mai im teuersten Fight der Box-Geschichte dem Filipino Manny Pacquiao gegenüber stehen wird.

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Das Olympia-Halbfinale zwischen dem Bulgaren und dem US-Amerikaner ging als eines der kuriosesten in die Geschichte ein. Todorow siegte 10:9 nach Punkten. Die Entscheidung war höchst umstritten, die Zweifel erhöhte der Ringrichter, der zuerst Mayweathers Hand hochzog, ehe er im letzten Augenblick doch noch die seines Gegners zuckte. Hinter dem umstrittenen Sieg Todorows vermutete man den langen Arm des damaligen Schiedsrichter-Vorsitzenden Emil Jetschew, dem Kampfspekulationen nachgesagt wurden. Vor dem Kampf um Gold, so behauptet es Todorow im Gespräch mit derNew York Times, legte ihm sein Landsmann Jetschew nahe, sich dem Thailänder Somluck Kamsing geschlagen zu geben. So kam es dann auch, der favorisierte Todorow unterlag nach umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen und verließ mit Silber im Gepäck Atlanta.

Umworben

Die Szenen, die sich nach dem Kampf Todorow - Mayweather in der Basketball-Arena der Universität Georgia Tech abgespielt haben, verfolgen den 45-Jährigen heute noch. "Um ehrlich zu sein, es war ein Kampf wie jeder andere - ich hatte zuvor viel stärkere Fighter geschlagen", erinnert er sich an den Kampf mit dem damals 19-jährigen Mayweather. Im Raum, in dem Dopingkontrollen durchgeführt wurden, tauchten neben den beiden Boxern plötzlich zwei Männer auf. Sie hatten keine Ausweisschilder, doch schnell wurde es klar, dass die Männer Promoter im professionellen Boxen waren. Sie nahmen Platz neben einem Dolmetscher, der Todorow zur Seite stand.

"Sie sahen mich im Ring, sahen meinen Kampfstil und dass ich weiß bin. Es wird nie wieder einen so guten weißen Boxer wie mich geben und sie wussten es. Sie wollten, dass ich da bleibe", erinnert sich der flinke Boxer an die Angebote, die sie ihm unterbreiteten. Von großem Handgeld, einem Haus und einem neuen Auto war die Rede. Von einem neuen Leben und Kämpfen vor großem Publikum redete der eine Promoter, während ihm der andere den unterschriftsreifen Vertrag und einen Stift vor der Nase hielt. "Ohne darüber nachzudenken, sagt ich 'Nein'. Ich sagte es schnell, einfach so: 'Nein'. Wissen Sie, was danach passierte? Die beiden Männer gingen zu Floyd hinüber und fingen an, sich mit ihm in English zu unterhalten".

Absturz

Nach dem verlorenen Kampf um Gold verbrachte Todorow die Tage bis zu seinem Abflug aus Atlanta im Alkoholrausch. "Ich hörte nicht mehr auf zu trinken. Ich wollte mich nur noch zu Tode saufen", erzählt Todorow, der sich damals betrogen fühlte. Er, der so viel für den bulgarischen Boxsport getan hatte, fühlte sich vom Verband betrogen. 1997 einigte er sich mit dem türkischen Verband, man versprach ihm eine Million im Falle des Goldmedaillengewinnes bei der kommenden WM.

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"Der Nationenwechsel schien besiegelt, doch dann kam ein Anruf. In allerletzter Sekunde forderte Jetschew eine Ablöse in Höhe von 300.000 Dollar, die der bulgarische Verband kassieren sollte. Der Deal fiel ins Wasser", schildert Todorow, wie sich der ehemalige Oberschiedsrichter in seiner Karriere nochmals in den Weg stellte. "So ging es nicht mehr weiter. Aber ich wollte auch nicht mehr für Bulgarien kämpfen. Das war's dann für mich. Es war vorbei", setzte der "Künstler im Ring", wie er sich gerne bezeichnete, einen Schlussstrich unter seine Karriere. Er war erst 28.

Diskrepanz

Zu den Diskrepanzen zum bulgarischen Verband gesellten sich auch noch seine Vorlieben für den auf dem Balkan sehr beliebten Sliwowitz und den Frauen. Sie wurden ihm aber nicht zum Verhängnis, das glaubt zumindest der in einer der ärmsten Städten Bulgariens, Pasardschik, lebende Ex-Boxer, der aus einer Roma-Familie stammt. Hätte er damals gegen Mayweather verloren, hätte er sicherlich seine Karriere fortgesetzt - mit dem Ansporn, ein olympisches Finale zu erreichen.

Er hätte sich nicht ewig fragen müssen, was passiert wäre, wenn er in den USA geblieben wäre. Er hätte nicht ewig über den manipulierten Kampf gegen Kamsing nachdenken müssen. "Stattdessen wollte ich hoffen, dass sich die Dinge hier in Bulgarien zum Guten wenden würden. Ich war dumm. Ich kam zurück und fand die Hölle vor".

Heute lebt Serafim Todorow mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung im Zentrum von Pasardschik. Über die Runden kommen muss er mit einer staatlichen Pension. Diese beträgt 370 Euro. Superstar Floyde Mayweather Jr., den nach Todorow im Ring niemand besiegen konnte, kassiert für seinen nächsten Kampf gegen Pacquiao bis zu 120 Millionen Dollar.