Sport

Abenteuer im Kopf & Glücksgefühle: Die Frau, die 170 Kilometer läuft

„Eigentlich hat mich das Laufen nicht interessiert“, gesteht Esther Fellhofer. Das ist eine erstaunliche Aussage von jemandem, der vor vier Wochen den Slovenia Ultra Trail gewonnen hat, ein Rennen über 170,2 Kilometer und 6.800 Höhenmeter. Die 33-Jährige war dabei mehr als 24 Stunden auf den Beinen.

2017 hatte Esther Fellhofer noch größte Mühe, im Fitnessstudio 20 Minuten auf dem Laufband hinter sich zu bringen. „Das war mir viel zu lang. Ich hab’ mich gefragt, wie ich diese 20 Minuten schaffen soll.“

Sechs Jahre später zählt die zierliche Oberösterreicherin zu den besten Ultra-Trail-Läuferinnen und hat sich den Extremen verschrieben. Bei der Weltmeisterschaft in Innsbruck und im Stubaital wird Esther Fellhofer kommende Woche den Bewerb über 85 Kilometer in Angriff nehmen.

Dafür läuft sie daheim in Wörgl regelmäßig auf die Möslalm, die 600 Meter über dem Inntal liegt. „Das mache ich dann ein paar Mal hintereinander, einmal habe ich das 24 Stunden am Stück gemacht, immer rauf und runter“, erzählt die Ausdauersportlerin.

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KURIER: Wie reagieren die Menschen, wenn Sie erzählen, was Sie so machen? Esther Fellhofer:

Am Anfang gibt’s immer fragende Blicke. Aber wenn man es den Leuten einmal erklärt, dann finden sie es ziemlich cool.

Wie wird man denn eigentlich eine Extremläuferin?

Die Lauferei hat angefangen mi dem Rennen Wien-Rundumadum. Da hat man 24 Stunden Zeit, Wien zum umrunden und ich dachte mir, die 130 Kilometer schaffe ich auch, wenn ich gehe. Nach 42 Kilometern habe ich aufhören müssen, weil die Schmerzen so groß waren. Aber mein Ehrgeiz war damit entfacht. Ein Jahr später habe ich es geschafft und auf einmal war ich drinnen und habe mir die nächsten extremen Herausforderungen gesucht.

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Wenn Sie 170 Kilometer laufen müssen: Wie nimmt man so ein Rennen geistig in Angriff? Zählen Sie Kilometer?

Am Anfang sind die Kilometer überhaupt kein Thema. Da laufe ich einfach nur, weil ich eh noch frisch bin. Irgendwann denke ich dann nur mehr von Labestation zu Labestation, wie viele Kilometer sind es bis zur nächsten kurzen Pause. Einen Fehler sollte man dabei nie machen.

Welchen?

Man darf sich ja niemals denken: Bah, es sind immer noch 150 Kilometer. Sondern man muss sich sagen: Hey, ich habe schon 20 Kilometer geschafft. Umgekehrt schaffst du es mental sonst nicht.

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Ist so ein Ultra-Trail-Run also eher ein Abenteuer im Kopf?

Ich finde, dass es mental anstrengender ist als rein körperlich. Wir laufen ja auf kleinen Wegen, teilweise im Dunkeln, teilweise ist es sehr steil und rutschig – da musst du immer hellwach und hochkonzentriert sein. Man glaubt gar nicht, wie viel Energie das kostet, darauf zu schauen, dass man ja nicht stolpert.

Hilft dabei die Erfahrung?

Wenn man schon den einen oder anderen Lauf über 150 Kilometer hinter sich gebracht hat, dann ist das natürlich ein Vorteil. Weil man weiß, dass es möglich ist. Vor meinem ersten Rennen sind mir viele Fragen durch den Kopf gegangen: Schaffe ich das? Ist es nicht zu lang? Wie soll ich mir die Kräfte einteilen? Wann soll ich pausieren? Soll ich schlafen? Jetzt weiß ich genau, was ich tun muss und höre auf die Signale meines Körpers.

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Was essen Sie während so eines Rennens?

Viele Läufer haben einen strikten Ernährungsplan. Ich nehme bei den Labestationen immer das, was mir gerade schmeckt. Manchmal braucht der Körper etwas Salziges, manchmal etwas Süßes. Im Rucksack habe ich sonst immer irgendwelche Riegel und Gels dabei. Und einen Liter Wasser.

Nicht mehr?

Sonst wäre der Rucksack einfach zu schwer. Und es ist Pflicht, einen Liter Wasser dabei zu haben. Dazu eine Stirnlampe, eine wasserdichte Jacke, ein Erste-Hilfe-Set, ein Handy, eine Pfeife.

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Achten Sie bei den Bewerben auf Ihre Gegnerinnen oder ist der größte Gegner der innere Schweinehund?

Ich laufe grundsätzlich nie mit einer anderen Läuferin mit, das mag ich nicht. Ich gehe lieber mein Tempo. Man darf sich auch nicht narrisch machen lassen, wenn andere schneller starten und weit voraus sind. Ich denke mir dann immer: Wir sehen uns noch, es ist noch weit genug.

Was war überhaupt die längste Strecke, die Sie am Stück gelaufen sind?

250 Kilometer.

Ohne Schlaf?

Wir waren zu dritt und haben uns eigentlich vorgenommen, dazwischen einmal kurz zu schlafen. Aber das geht nicht.

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Wieso das?

Du bist voll mit Adrenalin und kommst nicht runter und kannst nicht einschlafen. Und außerdem wirst du schnell ungeduldig, weil du nicht zu viel Zeit verlieren willst.

Wie geht’s einem nach so einem langen Lauf?

Ich habe meistens einige Blasen auf den Füßen. Sonst geht’s mir danach gut. Es ist ja ein anderes Tempo, das man bei so einem Rennen läuft. Bei diesem 250-Kilometer-Lauf haben wir auch einmal eine längere Pause gemacht und uns die Zähne geputzt. Das hat so gut getan, die Körperpflege.

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Apropos: Wie ist es mit menschlichen Bedürfnissen?

Es geht sich nicht aus, nur bei den Labestationen auf die Toilette zu gehen. Da muss man schon auch in die Botanik. Es ist zwar nicht verpflichtend, aber ich habe immer Klopapier dabei. Das ist immer das Erste, was ich einpacke.

Ist dieses Laufen für Sie auch eine Form von Sucht?

Ja, definitiv. Ist so.

Wann haben Sie Glücksgefühle. Und wie äußern sie sich bei Ihnen?

Bei mir kommen die Glücksgefühle immer beim Bergablaufen. Wenn ich oben am Berg bin, und es geht runter, das taugt mir so, bergab renne ich dann mit einem Lächeln. Bergauf laufe ich nur, damit ich danach bergab laufen kann.

Abschließend: Haben Sie Augen für die Landschaften, die Sie durchqueren?

Wir sind einmal quer durch Madeira gelaufen. Aber ich weiß nicht mehr, wie es dort aussieht. Jeder sagt immer, wie schön diese Insel ist, aber ich kann da leider nicht mitreden.