Start-ups: Die neuen Rockstars?
Im Juli 2013 wurde die GmbH Light als neue Gesellschaftsform in Österreich eingeführt. Wichtigste Änderung: Das notwendige Mindeststammkapital für die Gründung wurde von 35.000 auf 10.000 Euro reduziert – Unternehmer mussten also nur noch 5.000 statt 17.500 Euro an Einlagekapital aufbringen. Eine Erleichterung für junge Gründer. Nun soll die Reform teilweise wieder rückgängig gemacht und das Stammkapital auf den ursprünglichen Wert angehoben werden – so eine Ende letzter Woche eingebrachte Gesetzesvorlage, die sich momentan noch in Begutachtung befindet. Neue GmbHs sollen jedoch eine „Gründerprivilegierung“ nutzen können: Die Mindesteinlage von 5.000 Euro muss erst nach zehn Jahren aufgestockt werden.
Trotzdem kritisch sieht Christoph Jeschke, Geschäftsführer von AustrianStartups die Rücknahme der Reform: „Die vorgeschlagene Gesetzesänderung erschwert Unternehmensgründungen und macht den Wirtschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich wieder ein Stück unattraktiver“, kommentiert Christoph Jeschke, Geschäftsführer von AustrianStartups, die Rücknahme. AustrianStartups, ein Verein mit dem Ziel eine lokale und unabhängige Plattform zur Unterstützung von Start-ups anzubieten, hat in einem Positionspaper schon im November 2013 darauf hingewiesen, dass Gründungswilligen zu viele Steine in den Weg gelegt werden. Die Forderungen reichten von der zukunftsorientierten Bildung hin zu der Verankerung des Themas „Jungunternehmertum“ in der Politik.
Anzahl der Start-ups gewachsen
Trotz der vielen Hürden, die junge Unternehmer überwinden müssen, hat sich die Szene vor allem in Wien in den letzten zwei bis drei Jahren enorm entwickelt. „Business Inkubatoren, Co-Working Spaces und auch die Zahl der Start-ups ist gewachsen“, so Kathrin Folkendt, selbstständige Unternehmensberaterin, ehemalige Marketingchefin des Start-ups Tupalo und Kennerin der Szene. Und auch die Gründer selbst sehen Österreich als teils guten Standort für Start-ups, obwohl es einiges Potenzial zur Verbesserung gäbe. Als positiv bewertet Andreas Röttl, Gründer und CEO von miavia, die Förderlandschaft. Trotzdem wirke sich genau diese auch negativ auf die Entwicklung einer Investorenlandschaft aus, da sowieso von Staateswegen finanziell unterstützt wird. Zum Thema GmbH Light ist Röttl überzeugt: „Da wurde nicht mit den Betroffenen gesprochen. Die wahren Probleme wurden nicht gelöst.“ Diese Probleme sieht er vor allem in der Mindestkörperschaftssteuer und in den hohen Lohnnebenkosten. Diese Sicht bestätigt auch Andreas Langegger, Gründer der Immobiliensuchmaschine zoomsquare. Auch er würde sich eine Senkung der Lohnnebenkosten wünschen: „Es sollten mehr Anreize geschaffen werden, damit die Leute gründen und somit Arbeitsplätze schaffen. Auch die Investitionen von Business Angels sollten steuerlich begünstigt sein.“ Nach der ersten Phase, in denen Start-ups Förderungen erhalten, sei es nämlich vor allem wichtig, Investoren zu finden, damit das Unternehmen sich weiterentwickeln und Umsätze verzeichnen könne. Die jungen Gründer fühlen sich nicht ernst genommen: „Die österreichische Politik hat nicht verstanden, wie wichtig Start-ups und junge Unternehmer für die Entwicklung der Wirtschaft sind“, so Frank Westermann, Gründer und Geschäftsführer von MySugr.
Junge Akademiker am Zug
Reisen, Therapie überwachen, Wohnung suchen: Es sind die alltäglichen Bereiche des Lebens, die Andreas Röttl, Frank Westermann und Andreas Langegger samt deren Teams jeweils zum Gründen eines eigenen Unternehmens bewegt haben:
- miavia ist ein Marktplatz, auf dem es individuelle Reiseführer von Gleichgesinnten gibt. Die Vision von Gründer Andreas Röttl: Das Modell Reisebüro revolutionieren und eine Travelagency 2.0 schaffen, die einerseits relevanten Inhalt und Reiserouten anbietet und andererseits auch gleich die Organisation der Reise abwickelt.
- Frank Westermann hat mit MySugr eine App entwickelt, die Menschen mit Diabetes helfen soll, ihre Therapie zu managen. Da einige Teammitglieder selbst Diabetiker sind, sei das Verständnis für die Zielgruppe zu 100% vorhanden – Ziel ist es, die beliebteste Diabetikermarke zu werden.
- zoomsquare durchsucht das Web nach Immobilien-Angeboten und aggregiert diese auf einer Plattform, auf der die individuellen Wünsche der Suchenden im Vordergrund stehen. Co-Gründer Andreas Langegger sieht als Ziel eine „Anlaufstelle, wo Suchende in ganz Europa sich aufgehoben fühlen“.
Gemeinsam haben alle drei Unternehmen, dass sie von jungen Akademikern gegründet wurden. Generell herrscht in der Szene die Meinung, dass junge Akademiker heute lieber selbst gründen bzw. in Start-ups arbeiten, als sich in einem etablierten Unternehmen anstellen zu lassen. Und auch der Austrian Start-up Report 2013 belegt, dass über 80% der Gründer und Mitarbeiter von Start-ups einen akademischen Hintergrund haben.
„Wir spüren einen massiven Anstieg an jungen, gut ausgebildeten Leuten, die Gründungswillen zeigen“, bestätigt Irene Fialka den Trend. Fialka ist Geschäftsführerin von Inits, einem Business Inkubator, der sich zum Ziel gemacht hat Start-ups zu unterstützen. Das Programm fördert Unternehmen, die von Studierenden und Absolventen österreichischer Universitäten und Fachhochschulen gegründet wurden. Der Zweck dahinter: qualitative Arbeitsplatzschaffung für Akademikerinnen und Akademiker. Obwohl der Trend spürbar sei, dümple man in Österreich bei den gründungswilligen Studierenden immer noch im unteren Prozentbereich, so Fialka, und zitiert eine im Jahr 2004 durchgeführte Studie von WU-Professor Nikolaus Franke. In der Befragung gaben damals drei Viertel der Studierenden an, nicht die Selbstständigkeit anzustreben. Das Problem sieht Irene Fialka vor allem im Bildungssystem: „Unser Bildungssystem ist generell auf Anstellungsfähigkeit ausgerichtet. Entrepreneurship im Sinne von ‚Trau dich was’ sollte nicht nur auf Universitäten im Angebot enthalten sein, sondern sich bestenfalls durch die gesamte Bildung ziehen – vom Kleinkindalter an.“
Frisch als Absolvent ein Unternehmen auf die Beine zu stellen, sehen jedoch selbst die befragten Gründer teilweise kritisch. Auch wenn es funktionieren könne, sei es sinnvoller erst einmal in – bestenfalls kleinen – Unternehmen Erfahrungen zu sammeln und erst dann in die Selbstständigkeit zu wechseln.
Scheitern als Credo?
Folglich scheitern viele Unternehmungen nicht nur an wirtschaftlichen und politischen Vorgaben, sondern auch einfach am Know How. Obwohl das Scheitern in der Branche durchwegs nicht als negativ betrachtet wird, sondern eher als Potenzial zum Lernen, gibt es doch einige Fehler, die leicht vermieden werden können. (Siehe Infobox.)
Trotz großer Herausforderungen und zu überwindenden Hürden sind die Jungunternehmer motiviert, auf eigenen Beinen zu stehen und durchzustarten. „Die meisten Gründer machen das aus tiefer Überzeugung heraus und weil sie den Willen zur Selbstständigkeit haben. Für mich ist es eine große Befriedigung andere Diabetiker zu unterstützen“, so Westermann.
Kathrin Folkendt: „Schwierig wird es, wenn Feedbackresistenz zur Firmenkultur wird – also auch nur Leute eingestellt werden, die wenig Kritik äußern. Vor allem sollte man aber auch wissen, wo es mit dem Unternehmen hingehen soll. Vision, Mission und Initiative sollten klar sein."
Christoph Jeschke: „Der größte Fehler wäre, Angst vor dem Scheitern zu haben und deshalb nicht zu beginnen.“
Andreas Röttl: „Erstens tun, nicht reden! Und zweitens sollte man sich schon vor Start die richtigen Leute ins Team holen.“
Irene Fialka: „Wichtig ist das Reflektieren der Idee mit dem ‚Außen’ – also das Gespräch mit Kunden, potenziellen Partnern oder Industrieexperten suchen. Eine Idee sollte nicht nur am Reißbrett entstehen.“
Frank Westermann: „Wenn ich direkt von der Uni weg gegründet hätte, wäre das in meinem Fall ein totales Desaster geworden. Vorher ein paar Jahre in Anstellung bestenfalls in einem kleinen Unternehmen mit breitem Aufgabenspektrum zu arbeiten, gibt einem das nötige Rüstzeug an die Hand.“
Andreas Langegger: „Man sollte keine Angst haben, jemandem seine Idee zu erzählen. Das wichtigste ist aber der Fokus: Es gibt so viele tolle Dinge, die man machen kann, aber die Ressourcen sind immer begrenzt. Da muss man lernen abzuschätzen, was einen weiterbringt und was weniger. Man kann nicht alles machen.“
Der Begriff „Start-up“ findet sich schon seit geraumer Zeit im Duden und wird ebendort als „neu gegründetes Wirtschaftsunternehmen“ definiert. Demnach war jedes der rund 311.000 österreichischen Unternehmen irgendwann mal ein Start-up. Nicht ganz richtig, gibt es doch etliche weitere Definitionen, die von Innovation als Kriterium sprechen oder auch davon, dass Start-ups vor allem der Tech-Branche zuzuordnen sind.
Als „kürzlich gegründetes Unternehmen mit innovativem Ansatz, Geschäftsmodell oder Technologie, welches das Potenzial hat, schnell groß zu werden und deshalb eventuell Investment braucht“, definiert Kathrin Folkendt den Begriff: „Ein Start-up muss per Definition nicht unbedingt im Tech-Bereich angesiedelt sein – die Innovation steht im Vordergrund. Ein Beispiel aus Österreich ist feinkoch, das im Lebensmittelbereich tätig ist.“ Das Unternehmen hat ein neues Konzept für den Lebensmitteleinkauf entwickelt: Im Shop kauft man nicht ein wie im herkömmlichen Supermarkt, sondern sucht sich ein Rezept aus und nimmt die zugehörigen Zutaten gleich richtig portioniert mit nach Hause. Trotzdem sind die meisten der 369 auf AustrianStartups gelisteten Unternehmen im Tech- und Online-Bereich angesiedelt. Und oft sind es die österreichischen Web-Start-ups, die Schlagzeilen machen. Sei es Runtastic, Shpock oder auch MySugr, welche jeweils eigene Apps für Smartphones entwickelt haben.