Zentralmatura - auch keine Wunderwaffe
Von Hannah Grandits
Wer glaubt, Schüler werden dank Zentralmatura gerecht, transparent und objektiv beurteilt, irrt. Kein Lehrer kann zu 100 % gerecht sein, das BIFIE (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens) genauso wenig. Gerade bei der Vorwissenschaftlichen Arbeit (kurz VWA), die einen Teil der Matura ausmacht, wird nicht fair beurteilt, es KANN gar nicht fair beurteilt werden. Denn woher soll ein Lehrer wissen, wie viel Arbeit ein einzelner Schüler tatsächlich in seine Arbeit steckt? Woher soll ein Lehrer wissen, ob eine Vorwissenschaftliche Arbeit nicht zur Hälfte Papas Werk ist? Er kann das gar nicht wissen. Genauso wenig wie er das bei Fachbereichsarbeiten, Diplomarbeiten oder Hausübungen wissen kann.
Ironischerweise sollen Lehrer auch die Eigenständigkeit der Schüler während des Arbeitsprozesses benoten. Doch welcher Schüler beim Schreiben ganz auf sich allein gestellt war, und welcher beim Schreiben und Recherchieren Hilfe von den Eltern oder der Nachhilfe bekommen hat, ist nicht so einfach festzustellen. Natürlich ist es absolut nicht verwerflich, seinem Kind in der Schule zu helfen. Doch manche Kinder bekommen ganz einfach mehr Unterstützung als andere, das sollte man auch beim Benoten einer vorwissenschaftlichen Arbeit nicht vergessen.
Einen Vorteil haben manche Schüler vor allem beim Beurteilungsbereich „Sprachkompetenz“, der sich aus Zeichensetzung, Orthographie, Wortschatz, Grammatik, Sprachflüssigkeit und dem korrekten Einbauen der Zitate in den Text zusammensetzt und immerhin ein Fünftel der Note ausmacht. Betreuungslehrer sind nicht befugt, VWAs auf Rechtschreib-, Beistrich- und Grammatikfehler zu kontrollieren. Logisch. Diese Punkte fließen ja in die Beurteilung mit ein. Deshalb lassen diejenigen, die die Möglichkeit dazu haben, ihre VWAs zuhause oder von einer Nachhilfe auf sprachliche Fehler kontrollieren. Für sie ist es so viel leichter, den Bereich „Sprachkompetenz“ positiv zu erfüllen, als für Schüler, deren Eltern kein oder wenig Deutsch sprechen und sich keine Nachhilfe leisten können.
Wenn die Rechtschreibkünste der Eltern und die Beistrichsetzung des Nachhilfelehrers ein Fünftel der Note ausmachen, liefert die VWA ein falsches Bild vom Können eines Schülers und die Beurteilung fällt ungleich und zugunsten derer, die aus einem wohlhabenden, deutschsprachigen Umfeld stammen, aus. Daran wird sich so schnell nichts ändern, doch es sollte sich zumindest niemand einreden, dass die Beurteilung der Vorwissenschaftlichen Arbeit völlig transparent und gerecht ist.