Schule

Was die Ganztagsschule bringt und was nicht

Die Summe ist gigantisch: 750 Millionen Euro stellt die Regierung für den Ausbau der Ganztagsschulen zur Verfügung. Für viele Familien klingt der Plan von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid nach einer wundervollen Verheißung: eine Schule, in der Nachhilfe und Nachmittagsbetreuung obsolet sind und Eltern von der Hausaufgabenbetreuung befreit werden.

Für den Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann hat dieses Bild nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun: "Sicher löst das erst einmal ein Betreuungsproblem, womit vielen bürgerlichen Familien geholfen wird. Doch weniger Nachhilfe wird es dadurch nicht geben, wie sich in Ländern zeigt, in denen der Anteil an Ganztagsschulen hoch ist. Da geben Eltern weitaus mehr für Nachhilfe aus."

Kluft vergrößert sich

Damit das Konzept der Ganztagsschule funktioniert, also Leistungsstarke gefordert und Schwache gefördert werden, müssten eine ganze Menge Voraussetzungen geschaffen werden. Zum Beispiel, dass Schulen, in denen sich Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit der Eltern, Migration, Scheidung etc. ballen, mehr Ressourcen erhalten: "Chancenindex" nennt die Ministerin das Konzept neuerdings. Doch der Plan lässt sich politisch derzeit kaum umsetzen. Hopmann: "So wie es jetzt geplant ist, macht man die Sache nur schlimmer. Ist die Schule ganztags, verabschieden sich bildungsferne Eltern ganz von der Schule. Dabei wäre gerade hier eine intensive Elternarbeit essenziell für den Schulerfolg."

Freizeitpädagogen

Und noch etwas stößt dem Bildungsforscher sauer auf: "Derzeit ist geplant, dass Freizeitpädagogen für die Hausübungsbetreuung verantwortlich sind. Dabei funktioniert Ganztagsschule nur, wenn das Lernen am Nachmittag eng mit dem Primärunterricht abgestimmt ist". Heißt: Die gesamte fachliche Förderung muss beim Lehrer bleiben, während Fußball- und Ballettstunden von Freizeitpädagogen oder Vereinstrainern gehalten werden können.

Mitnahmeeffekte

Dass Kinder länger in der Schule sind, führt also nicht zwangsläufig zu besseren Schülerleistungen. Was wäre also zu tun? "Ich würde jetzt nicht mit der Gießkanne darübergehen und jedem, er es beantragt, Ressourcen zuteilen. Denn so kommt es leicht zu Mitnahmeeffekten. Besser wäre es, jenen Standorten Ressourcen zuzuteilen, die ein Modell vorlegen, die angeben, welche Ziele sie haben und wie sie sie erreichen wollen. Die, die kein Modell haben, brauchen kein Zusatzgeld. Man sollte also konkrete, gelungene Fälle schaffen, die man öffentlich herzeigen kann", fordert Hopmann. Das sei effektiver, als leere Versprechen zu machen, die nicht haltbar sind. Diesen Fehler habe man schon bei den Neuen Mittelschulen gemacht. "Da wurden Erwartungen geweckt, die nicht zu erfüllen waren. Jetzt bleibt hängen, dass das System nicht funktioniert, obwohl einiges gar nicht so schlecht umgesetzt ist."

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Stefan Hopmann ist Professor für vergleichende Bildungswissenschaften an der Uni Wien.