Nina Proll: "Belästigung ist das geringste Problem"
Von Christoph Silber
Eben war „Anna Fucking Molnar“ beim Women‘s International Film & Arts Festival in New York und bei der Diagonale in Graz. Anfang April hat Nina Proll dann als Schauspielerin eine Chance auf einen Publikumspreis bei der ROMY - das Voting endet am 23. März. Ein Gespräch.
KURIER: Vor einem Jahr haben Sie noch bei der ROMY-Gala für ihren Film gedreht und eine fiktive Preisträgerin gespielt, nun könnten Sie eine reale werden.
Nina Proll: Ich freue mich sehr über diese Nominierung, vor allem, weil es für den Film „Anna Fucking Molnar“ ist, denn ich habe sehr viel Herzblut in dieses Projekt investiert. Nach dem letzten Herbst, als ich nicht nur mit meiner künstlerischen Arbeit im Fokus gestanden bin, sondern auch wegen der gesellschaftspolitischen Diskussionen, habe ich vom Publikum, sehr viel Zuspruch bekommen. Bei keinem Projekt zuvor habe ich, leider, soviel Feedback bekommen. Sich nur mit seinen Filmprojekten in die Herzen der Zuschauer zu spielen, ist offensichtlich sehr schwer.
Die Molnar nimmt sich, was sie will, hat aber auch Momente der Zerbrechlichkeit. Was davon hat Nina Proll?
Die Molnar trägt ihre Bedürfnisse sehr offen zur Schau. Das tue ich zum Beispiel nicht. Ich bin weder zerbrechlich noch besonders bedürftig. Ich muss nicht ständig gelobt werden, manche nennen es auch Phlegma. Ich habe eine gewisse innere Stabilität, die für diesen Beruf von Vorteil ist. Was ich gemeinsam mit der Figur habe, ist meine Emotionalität oder wie ich den Beruf des Schauspielers sehe. Es ist der schönste Beruf, den es gibt auf der Welt und er hat einen unheimlich hohen Stellenwert für mich. Das ist auch bei Anna Molnar so. Sie lebt für die Kunst und das Theater und tut alles dafür. Dass man sich dabei manchmal „erniedrigen“ muss, indem man Jobs annimmt, die eigentlich unter seiner Würde liegen, nur weil man Geld braucht, gehört für mich genauso dazu, wie dass wir uns mit Vorliebe "im Dreck wälzen" und ungeschminkt zeigen. Es ist eine sehr spezielle Form der Eitelkeit.
Es soll das die erste österreichische Komödie mit einer weiblichen Hauptdarstellerin sein. Warum hat das so lange gedauert?
Ich kann nur sagen, wie es bei mir war: „Anna Fucking Molnar“ war ursprünglich als Episodenfilm konzipiert. Alle Figuren, die im Film zu sehen sind, waren gleichberechtigt, so wie man das zum Beispiel von Robert Altmans „Short Cuts“ kennt. Das Problem war aber stets die Länge, die sich daraus ergab. Dann gab uns Regisseur Andreas Schmied, der das Buch lektoriert hat, den Tipp, dass wir uns auf eine Hauptfigur und eine Geschichte konzentrieren sollten. Meine erste Reaktion darauf war so typisch – ich kann mir doch nicht selbst so eine riesige Rolle schreiben. Da glauben ja alle, ich bin größenwahnsinnig. Irgendwann kam dann die Gegenfrage auf: Warum eigentlich nicht? Josef Hader und Til Schweiger und, und, und... machen das auch. Warum also nicht auch ich?
Und warum die Bedenken?
Weil wir zu bescheiden sind. Wir agieren zu vorsichtig. Männer haben hingegen einfach die Chuzpe und tun, was sie wollen. Ich glaube also, das liegt am Mut von uns Autorinnen und Darstellerinnen. Mir war es dann einfach irgendwann egal, wie das jemand auffassen könnte und ich habe es einfach probiert. Ab dem Zeitpunkt, als wir das Buch umgearbeitet haben, hat das Projekt Flügel bekommen.
„Anna Fucking Molnar“ hatte 40.000 Kinobesucher und das trotz teils heftiger Kritiken. Werden die einem dann egal?
Die Kritiken war sehr unterschiedlich. Es gab Lobeshymnen wie auch untergriffige Kritiken. Dass das so sein würde, war mir schon vor Drehbeginn bewusst. Mir war von vorn herein klar, dass dieser Film vor allem in der Branche selbst kritisch gesehen werden wird. Er wurde ja interessanterweise gerade von weiblichen Filmschaffenden als "nicht feministisch", „sexistisch" oder gar „frauenfeindlich“ bezeichnet. Umsomehr haben mich natürlich die Zuschauerreaktionen und die Einladung zum „ FrauenFilmfestival“ nach New York gefreut. Man kann es nun mal nicht jedem recht machen und das war auch nie mein Ziel. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich keine Komödie, sondern ein Drama über eine unterdrückte Frau in einer männerdominierten Welt gemacht, da hätte ich alle auf meiner Seite gehabt.
Die Debatten um die Situation von Frauen in der Film-Branche hat auch den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit darauf gelenkt.
Es gibt mit Sicherheit in der Branche Zustände und Dinge, die man verbessern kann. Das beginnt bei den Produktionsbedingungen, geht weiter mit dem Faktum, dass man in 21 Tagen einen 90-Minüter abdrehen soll, man zuweilen seine Kostüme selbst mitbringen muss, weil Budgets dafür nicht mehr reichen oder die Arbeitszeit offenbar keine Grenzen kennt und Überstunden nicht bezahlt werden. Es gibt also viele Missstände, sexuelle Belästigung ist meiner Meinung nach das geringste Problem in der österreichischen Film-Branche. Bei der neueingerichteten Ombudsstelle der österreichischen Filmakademie hat sich bis jetzt kein einziges „Opfer“ gemeldet.
Jedenfalls gibt es sehr wenige Frauen, die Regie führen, produzieren...
Dass zu wenige Frauen Filme machen, dass sie zu selten produzieren oder Regie führen, dass es zu wenige Frauen in dieser Branche in Spitzenpositionen gibt, all das ist richtig. Es hat aber meiner Meinung nach nichts mit #metoo zu tun – aber auch hier unterscheiden sich die Auffassungen. Selbst wenn gleich viele Frauen und Männer von der Filmakademie abgehen, bleiben einfach weniger Frauen in dieser Branche., weil die Branche schlicht familien- und beziehungsunfreundlich ist, und es ist da ganz schwer, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Aber die Arbeitsbedingungen sind nun mal so, wie sie sind. Natürlich kann und soll man darüber nachdenken, wie man es Frauen leichter machen kann oder wie ein Drehplan gestaltet werden könnte, dass keine Drehtage von 16 Stunden entstehen. Das ist aber kein Problem sexueller Diskriminierung, sondern der Preis, den alle zahlen, die Kunst machen wollen – wer das nicht will, muss ja nicht beim Film oder am Theater arbeiten. Und für "normale" Menschen jammern wir sowieso auf hohem Niveau.
Es gibt vermehrt Bestrebungen, die Vergabe von Fördermitteln an Geschlechter-Quoten festzumachen.
Kunst und Quote sind für mich ein Oxymoron. Ich plädiere dafür, dass es in der Kunst völlig egal sein muss, welches Geschlecht jemand hat. Ich möchte gute Drehbücher verfilmen, und mir ist dabei egal, ob ein Mann oder eine Frau es geschrieben, produziert oder dabei Regie geführt hat. Ich befürchte, wenn es eine Frauenquote gibt, wird das in der Branche nur dazu führen, dass die Frauen sich untereinander zerfleischen, denn der Kuchen, um den es geht ist immer der gleiche. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.
Haben Sie wegen der kontroversen Debatten im Herbst in der Folge Rollen-Angebote nicht bekommen?
Das werde ich tatsächlich nie wirklich wissen und ist deshalb schwer zu beantworten. Es gibt Regisseurinnen und Regisseure, die so etwas durchblicken haben lassen. Mit denen habe ich großteils davor aber auch nicht gearbeitet. Und es gibt auf der anderen Seite auch welche, die genau deshalb mit mir arbeiten wollen. Was die Debatte betrifft, empfinde ich es so, dass die Diversität der Meinungen verloren gegangen ist. Es geht nur noch um Positionen und am Ende steht: Bist Du nicht für uns, dann bist du gegen uns. Es gibt nichts mehr dazwischen. Andere Gedankengänge zuzulassen und zuzuhören, ist schwierig geworden. Ich habe mich darum bemüht, einen differenzierten Standpunkt einzunehmen und vielleicht einen etwas anderen Blickwinkel auf eine Debatte zu werfen, die sehr einseitig geführt wurde. Ich respektiere es, wenn jemand anderer Meinung ist. Aber warum muss ich mich mit Menschen solidarisieren, deren Meinung ich nicht teile?
Sie planen weitere Drehbuch-Arbeiten?
Ich arbeite wieder mit Ursula Wolschlager an einem Projekt. Es geht erneut um eine ungewöhnliche Frauenfigur und ist wieder eine Komödie, Allerdings handelt es sich um eine Romanbearbeitung eines österreichischen Autors. Ich hoffe nur, dass es nicht wieder sechs Jahre dauert bis zur Umsetzung. Aber wie bei jedem Projekt fängt man bei null an. Da ich aber erst wieder im Mai mit Dreharbeiten beginne, habe ich jetzt genug Zeit dafür.
Kurz zur Serie „Vorstadtweiber“, die in eine neue Staffel gehen. Wollen Sie weitermachen und haben Sie Vorstellungen, was ihre Figur, die Niko, betrifft?
Ich möchte gern weitermachen. Ich würde mir nur wünschen, dass wir, was unsere Beziehungen und Freundschaften betrifft, noch mehr in die Tiefe gehen könnten. Auch wüsste ich gern mehr darüber, wo Niko eigentlich herkommt. Da sehe ich noch Potential nach oben. Natürlich wünsche ich mir, dass sie einmal eine glückliche Beziehung erlebt – aber das ist dann möglicherweise für den Zuseher langweilig(lacht).
Wie bei Anna Molnar im Film wird auch Ihr Platz bei der Gala frei bleiben.
Ja, leider. Ich habe an diesem Abend einen Auftritt mit den „Vorstadtliedern“ in Spielberg. Aber mein Plan ist, dass ich es zur After-Show-Party schaffe und ich werde dann auf alle Fälle ein wenig feiern, egal ob ich gewonnen habe oder nicht.
TV-Tipp: „Am anderen Ende der Brücke“ (Dienstag, 0.05, ORF2): Wien im Jahr 1931. Fanny (Proll), Tochter eines Ausbildners der Wiener Polizei lernt den chinesischen Polizeioffizier Ma Yunlong kennen, der eine Fachausbildung in Wien absolviert. Schnell wird aus der schüchternen Bekanntschaft die große Liebe. Gegen den Willen der Eltern reist Fanny an ihrem 18. Geburtstag nach China, um Yunlong zu heiraten. An seiner Seite beginnt Fanny im Reich der Mitte ein neues Leben, das angesichts der mehrfachen politischen Umbrüche von Entbehrungen und schmerzvollen Wendungen geprägt ist.
Proll über diesen Streifen: „Das war für mich ein ganz wichtiger Film und eine schwierige wie auch spannende Produktion. Ich konnte mich mit der Regisseurin nicht unterhalten, weil sie weder Englisch noch Deutsch konnte. Die einzigen Worte waren ,Yes‘ und ,No‘. Es war dann für mich sehr erstaunlich, dass diese zwei Worte ausreichten, um einen Film zu drehen. Wenn ein Regisseur in der Lage ist, ja oder nein zu dem zu sagen, was ihm die Schauspieler anbieten, dann ist das schon sehr viel (lacht), denn oft bekommt man nicht einmal das. Aber es hat mir gezeigt, was Regieführen vor allem heißt, nämlich: Entscheidungen zu treffen."