Wortreiche Gipfelkonferenz
Von Martin Burger
Professor Pohl will's wissen. "Ich war grad am Geißberg", sagt er in die Karawanken-Wirtshausrunde. Antwort: "So sagma mia nit." "Wie dann?", hakt der Bergnamenforscher nach, denn auf seiner Karte steht Geißberg. "Kosiak." Im Geiste notiert Dialektforscher Heinz-Dieter Pohl: "Bedeutet das Gleiche, im Volksmund hat der Berg aber einen slowenischen Namen."
Wir sitzen beim Bodenbauer im Bodental / Podnar. Die Gipfel tragen fast alle Doppelnamen - wie Kočna (deutsch: Kotschna; Bedeutung: Roter Berg), Obir (Hochobir = Riese, Aware), Petzen (slowenisch: Peca, von peč Fels, Ofen) oder Vertatscha (Vrtača = Wirbel, Trichter, nach dem zerfurchten Gestein auch Zinnenwand).
"Ich überprüfe immer, wie die Bevölkerung ihre Berge nennt. Aber dazu muss man selbst auf die Berge steigen". Spricht's, klappt die Sonnenbrille auf, nimmt einen Schluck Most g'spritzt und liefert die kürzestmögliche Einführung in sein Fach, die Wissenschaft von den Bergnamen: "Die Gebirgsnamen entstanden meist im Spät- und Hochmittelalter, parallel zur Erschließung der Berge durch Beweidung und Bergbau." Im Namensgut spiegeln sich Sprachen wider, die in den Alpen gesprochen wurden - Slowenisch, Bairisch, Romanisch. Selbst die vor-keltische Urbevölkerung sei nicht spurlos verschwunden, sie hinterließ Worte wie Alpe (Bergweide) oder Tauern (Berg).
Vom Bodenbauer aus führt Pohl auf die Hochebene, die den passenden Namen Märchenwiese trägt. Wirklich? Pohl weiß es besser: Der Name entstand erst in den 1930ern, als eine Bergsteigergruppe im Bodental für eine Himalajaexpedition trainierte. Ursprünglich hieß der flache Weideboden, der nach einem Bergwaldgürtel direkt in die Felswände der Bielschitza (Belščica, auf Deutsch: Alm von Karner Vellach) übergeht, Mlaka (genauer: na Młakah, auf feuchtem Grund, in der Kärntner Mundart na Mua'ah gesprochen, was ähnlich wie Märchen klingt) .
Und weil Pohl so fit ist, wird er gleich ausgequetscht: Warum heißt der "König" der österreichischen Alpen, der Großglockner, umgangssprachlich der Glockner? Pohl: "Attribute wie Groß-, Hoch- oder Klein- wurden erst von den Kartografen im 19. Jahrhundert vergeben. Der "Glocknerer" (die älteste Schreibweise neben Glogger) hat seinen Namen möglicherweise von der glockenturmähnlichen Gipfelform. Einige Bergnamen bleiben dunkel, zum Beispiel der mysteriöse Pihapper im Salzburger Nationalparkteil. Klar ist hingegen, dass die Student in den Mariazeller Bergen weiblich ist: Der slawische Ursprung des Namens ist "studená" und bedeutet so viel wie "Kaltwasseralm".
Der Bodenbauer-Wirt sagt Addio, nach Art der Kärntner Slowenen, kurz und knapp. So hielt man es auch mit den Gipfeln der näheren Umgebung, die hießen anfangs einfach nur Berg. Noch Fragen?
Schall & Rauch: Nicht in Stein gemeißelt
Karawanken: Die Karawanken gehören zu den südlichen Kalkalpen. Der Name bedeutet "felsig". Die mundartliche Bezeichnung war aber "Krainer Berge".
Berg-Business: Bergnamen sind keine amtlichen Namen. Die Umbenennung des Mullwitzkopfes (Bedeutung: gerölliges Gebiet) 2007 durch die Gemeinde Prägarten in Wiesbauerspitze sorgte für Aufregung, weil der Gipfel nach einer Dauerwurst namens Bergsteiger getauft wurde.
Schmankerl: Heinz-Dieter Pohl: "Bergnamen der Hohen Tauern", OeAV-Dokumente Nr. 6; Preis: 9,90 €; Tel.: 04875 / 5112.