Leben/Reise

Vom Zauberberg in den Süden

Durch die steirische Furche. Fährt mein Faltrad blind. Wird es doch ein Mal im Sommer dort bewegt. Für alle, die ihr Rad nicht auf Koffergröße verkleinern können und somit auf die Gnade der Österreichischen Bundesbahnen angewiesen sind, empfehle ich den Zug EC 151 von Wien. Der ist kein Railjet und darf daher uneingeschränkt Fahrräder mitnehmen. Vor allem: Er hält knapp nach 9 Uhr im Bahnhof Semmering. Die perfekte Startzeit!

Ein Sommer wie damals

Alle Inhalte anzeigen
Warm wird einem schon in der Bahnhofsstraße. Nicht wegen der nobligen Sommerfrischevillen, mehr wegen der Steigung. Doch habt keine Angst! Nach nur zwei Kurven auf der alten 17er-Bundesstraße ist schon wieder Schluss mit Rauftreten.

Von der Passhöhe geht es vor allem: runter, nach Süden. Die Abfahrt auf der inzwischen verkehrsarmen Triester Straße ruft sofort Kindheitserinnerungen wach: es ist ein Sommer wie damals. Unten in der Bezirkshauptstadt Mürzzuschlag gilt es, hinter der Fußgängerzone den Mürztalradweg zu finden. Eine machbare Aufgabe!

Alle Inhalte anzeigen
Der gut beschilderte R5 ist im Vergleich zu anderen Flussradwegen wenig bekannt. Dabei ist speziell der erste Abschnitt bis Kindberg eine Radreise wert. Es geht entlang der grün schimmernden Mürz, vorbei an historischen Industriebauten, aber auch durch Orte, die sich ihren ländlichen Charme bewahrt haben. Der Heimatdichter Peter Rosegger und die Industriellenfamilie Böhler lassen grüßen.

Diese natürliche Idylle hat jedoch ein Ablaufdatum: vor Kindberg wird die Besiedelung bzw. Zersiedelung aggressiver. Dann Autobahn-Abfahrt und Gewerbepark vor Kapfenberg, das nenn’ ich raumplanerische Brutalität! Auch das Zusammenwachsen von Kapfenberg mit Bruck an der Mur hat wenig Liebliches an sich. Die vierspurige Bundesstraße erzeugt Dauerdröhnen, das nicht verstummen will.

Alle Inhalte anzeigen
Immerhin, hinter dem Zusammenfluss von Mürz und Mur wird die Steiermark wieder ruhiger, wieder grüner. Es geht auf dem R2 entlang der Mur, durch Schatten spendenden Wald und herausgeputzte Orte wie Pernegg, Mixnitz oder Frohnleiten.

Raddemo in Graz

Dann ist eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen. Aus Erfahrung sage ich: Bleibt bis Graz auf der rech-ten Flussseite! Die Variante via Deutschfeistritz, Kleinstübing, Gratwein und Judendorf-Straßengel bietet euch mehr Abwechslung.

Alle Inhalte anzeigen
Von hier ist es nicht mehr weit in die heimliche Rad-Hauptstadt Österreichs. Auf dem Radweg bei der Murinsel gerate ich nachmittags in eine Raddemo. Nein, die Grazer Radler demonstrieren gegen niemanden. Sie demonstrieren viel mehr, mit welchem Fahrzeug sich ihre Stadt am bequemsten und auch am schnellsten durchmessen lässt: Von Gösting bis Gössendorf kann man es in weniger als einer Stunde schaffen. Außer man hat in Graz noch was zu erledigen.

Wenig spektakulär geht die Murmetropole im Süden von einer austauschbaren Einfamilienhausgegend in ihren brettlebenen Speckgürtel über. Der ist auch kein Augenschmaus. Dafür gibt es südlich der Südautobahn jede Menge Kukuruz und Kürbisse zu bestaunen, und Kernöl zu verkosten. Hinter dem Wildoner Badesee taucht man in eine ruhige, naturbelassene Aulandschaft ein.

Krönung an der Grenze

Alle Inhalte anzeigen
Eine Sehenswürdigkeit sind auch die alten Höfe und Landhäuser vor und hinter Wagna. Kaum hat man sich an ihnen erfreut, ist auch schon Spielfeld vor der Nase, jener Ort, der 2015 unfreiwillig wieder zum Angst besetzten Grenzort wurde.
Alle Inhalte anzeigen
Man muss die 177 km vom Semmering nach Spielfeld natürlich nicht an einem Tag radeln. Doch selbst Eilige werden am Ende des Tages fürstlich belohnt. Nach all den Augenblicken, Düften und Geräuschen wirken das kühle Bier und die warme Dusche am hübschen Herzlhof im Spielfelder Ortsteil Unterschwarza wie eine Krönung. Plan B: am frühen Abend im Bahnhof Spielfeld-Strass in den EC 150 einsteigen. Wenn dieser Zug mit keiner Verspätung aus Slowenien ankommt (was noch immer öfters vorkommt), ist man gegen 22 Uhr wieder in Wien.
Einkehrmöglichkeiten

Johanns Essensmanufaktur in Bruck an der Mur:

Hugo-von-Monfort-Gasse 2, 0664 / 24 13 129, www.johanns.at

Herberts Stubn in Feldkirchen:

Direkt am Radweg, 0316 / 24 17 00, www.herberts-stubn.at

Murnockerl in Altgralla:

Direkt am Radweg, 0664 / 12 75 400, www.murnockerl-gourmet.at/das-restaurant/

„Oliver kocht“ in Spielfeld/Unterschwarza:

Direkt am Radweg, 03453 / 21 001, www.oliver-kocht.at

Übernachtungsmöglichkeiten

Baderhaus in Bruck an der Mur:

Ringelschmiedgasse 7, 0664 / 42 18 104; www.raddoerfl.at

Hotel „Das Weitzer“ in Graz:

Grieskai 12, 0316 / 703-0; www.weitzer.com

Herzlhof in Spielfeld:

Unterschwarza 3 (dem Murradweg Richtung Mureck folgen), 0664 / 45 44 115, www.herzlhof.at

Sehenswürdigkeiten

Bärenschützklamm in Mixnitz bei Pernegg.

www.baerenschuetzklamm.at

Direkt am Radweg in Graz: Das Kunsthaus, die Murinsel und nicht zuletzt der Gratis-Blick auf den Schloßberg mit dem Uhrturm.

www.graztourismus.at

Vinofaktur und Genussregal in Vogau.

www.genussregal.at

LITERATURTIPP

Mur-Radweg: Von der Quelle zur Mündung, Verlag Esterbauer, 13,90 €.

01. ETAPPE / 17. JULI 2016
Prolog: Race Across Steiermark.

02. ETAPPE / 20. JULI 2016
Mit Kindern auf dem Steyrtalradweg.

03. ETAPPE / 24. JULI 2016
Auf dem Schrammelradweg im Waldviertel.

04. ETAPPE / 27. JULI 2016
Rad, Boot, Bahn: Die Wolfgangsee-Trilogie.

05. ETAPPE/31. JULI 2016
Opa, Papa, Sohn: Rund um den Bodensee.

06. ETAPPE/ 03. AUGUST 2016
Transalp-Tour: Von Krimml nach Bruneck.

07. ETAPPE/ 07. AUGUST 2016
Dem Veltliner auf der Spur im Weinviertel.

08. ETAPPE / 10. AUGUST 2016
Um den Wörther See radeln – und chillen.

09. ETAPPE / 14. AUGUST 2016
Adrenalin! Im Ötztal Radmarathon fahren.

10. ETAPPE / 17. AUGUST 2016
Nach Süden! Entlang von Mürz und Mur.

11. ETAPPE / 21. AUGUST 2016
Gott! Radpilgern von Wien nach Mariazell.

12. ETAPPE / 24. AUGUST 2016
Die Hohen Tauern zum Auspowern.

In all den Jahren auf dem Rennrad konnte der inzwischen 34-jährige Radprofessional Christoph Strasser viel Erfahrung sammeln. Auch in punkto leichtes Reisegepäck und Wegzehrung. Hier eine Auflistung jener nützlichen Dinge, die Strasser on tour immer dabei hat:

Zwei große gefüllte Trinkflaschen und Elektrolytgetränkepulver (eine Flasche pro gefahrene Stunde gilt als Faustregel), eine Banane, eine Packung Flüssignahrung, Reserveschlauch, Luftpatrone, Werkzeug für unterwegs, 5 Euro, Bankomatkarte, E-Card, Mobiltelefon, Rad-Navi am Lenker. Für den Fall, dass es unterwegs dunkel wird, hat er am Rad auch ein fixes Rücklicht montiert.

Alle Inhalte anzeigen
Im Laufe der Jahre und unzähliger Radtouren hat auch der erfahrene Radmechaniker Andreas Röderer viel Erfahrung gesammelt. Hier eine Auflistung jener Dinge, die er immer in seine Packtaschen stopft:

Für das Rad: Ersatzschlauch, Luftpumpe und Werkzeug.

Für den Körper: Sonnenschutz, Creme für die Weichteile, Zahnbürste, Waschzeug, Waschlappen, mittelgroßes Handtuch und Helm (dient nebenbei auch als Sonnen- bzw. Regenschutz).

Zum Anziehen: Knickerbocker, kurze Sporthose, dünne lange Hose, Trikot aus Merinowolle (atmungsaktiv), helles, knitterfreies Hemd, leichter Fleece-Pulli mit Zipp, leichte atmungsaktive Regenjacke, Unterhosen, Badehose sowie Radhandschuhe.

Schuhwerk: Radschuhe für SPD-Pedale, leichte Flipflops oder Espadrillos sowie dünne kurze Baumwollsocken.
Packtaschen: Zwei wasserdichte Taschen (40 Liter), Lenkertasche für Handy, Fotoapparat, Geldbörse, Dokumente und Radkarte.

Rodingersdorf im Waldviertel. Dort, in einem alten Bauernhof, ist der Salzburger Roland Esterbauer heute zu Hause. Und auch sein Verlag. Den kleinen Ort in der Nähe von Sigmundsherberg muss man auf der Karte suchen. Ein Glück, dass Esterbauer ebensolche produziert. Der Verlag Esterbauer ist eine österreichische Erfolgsgeschichte – und ein Exportschlager, speziell in Deutschland. Vor allem jene erste große Karte des Verlags, die gute Orientierung auf dem Donauradweg bietet, wurde zum absoluten Klassiker für deutschen Radtouristen. Deshalb arbeiten neben den 16 Mitarbeitern in Rodingersdorf weitere sieben in einem Stadtbüro in Berlin.

Alle Inhalte anzeigen
Eigentlich wollte Roland Esterbauer mit dem Erstellen einer Niederösterreich-Radkarte sein Studium an der Technischen Universität in Wien finanzieren. Aus dem Ferialjob wurde seine Berufung. Das war Mitte der 1980er-Jahre. In den vergangenen dreißig Jahren haben seine Leute 470 Titel erarbeitet, neben Radtourenbücher und -karten auch Mountainbike- und Wanderführer. „In der Zwischenzeit haben wir Material zu den interessantesten Rad- und Wanderregionen Europas“, erzählt Esterbauer stolz. Die Schwerpunkte hat er in Deutschland und in Österreich gesetzt.

Die Vermessung der Welt bzw. von Radwegen ist heute ein aufwendiges Unterfangen: Redakteure des Verlags fahren jede Tour vorab mit dem Rad und dem Auto ab. Ihre Erfahrungen und GPS-Daten werden in die Karten (auch online) eingetragen. Von ihrem Know-how profitiert in den nächsten Tagen auch der KURIER. Drei der zwölf Touren werden von Esterbauers Leuten vorgestellt.