Leben/Reise

Island: Walfahrt zu 13 Weihnachtsmännern

Türschlitzschnüffler, Fenstergaffer oder Kerzenschnorrer. Das sind keine isländischen Schimpfwörter, sondern die Namen von drei Weihnachtsmännern. Während der Rest der Welt im Dezember auf maximal einen Santa Claus wartet, werden die isländischen Kinder von 13 Weihnachtsmännern besucht. Sie gleichen eher Kleinkriminellen und stammen aus der Welt der Trolle. Immerhin 60 Prozent aller Isländer halten die Existenz von Trollen und Elfen zumindest für möglich.

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Das Land der Fußball-Helden hat so manche Merkwürdigkeiten zu bieten. Kein Wunder, Reykjavik ist von Wien etwa so weit entfernt wie Teheran. Island ist eine andere Welt und liegt genau an der (plattentektonischen) Grenze zwischen Europa und Amerika.

Der Vulkan und die EURO

Bis 2008 fristete die Insel mit rund 320.000 Einwohnern ein ziemliches Schattendasein und lockte wenige Urlauber an. Doch dann kamen Wirtschaftskrise und der Ausbruch des unaussprechlichen Vulkans Eyjafjallajökull. "Das war die Tourismuswerbung, die sich Island niemals leisten konnte", sagt Ann-Cathrin Bröcker, Chefin des Kreuzfahrtveranstalters Iceland ProCruises. Gleichzeitig wurde Island langsam leistbar für Touristen. Und die Erfolge der "Europameister der Herzen" lassen nun alle Dämme brechen. Im Juni feierte die Reederei Rekordzugriffszahlen auf ihrer Webseite. "Wir mussten bereits Kataloge für 2017 nachdrucken", berichtet Bröcker.

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Denn die "Ocean Diamond" ist das einzige Schiff, das derzeit eine volle Umrundung Islands anbietet. Jahrelang suchte die Reederei das passende Boot, um damit in alle Häfen zu kommen. "Vor allem die Westermännerinseln sind eine ganz große Herausforderung, in Europa gibt es das sonst nur auf Malta", berichtet Kapitän Hans Söderholm. Der erfahrene Finne umschifft nicht nur perfekt alle Untiefen und trotzt Windstärke sieben, er pflegt auch die "offene Brücke", wo er jederzeit Besuch empfängt. Vom Kommandozentrum aus sagt er durch, wenn Wale zu beobachten sind. So manch einer traut sich bis auf wenige Meter an das Schiff heran und springt neben der Ocean Diamond aus dem Wasser.
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Wer die Meeressäuger noch intensiver erleben möchte, kann das in Husavik tun. Mit 800-PS-Schlauchbooten geht es auf die "Fotojagd" nach Delfinen, Papageientauchern und Buckelwalen. Gar nicht so selten sind dabei alle drei zu sehen.
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Der große Vorteil an der Kreuzfahrt mit der Ocean Diamond ist, dass man auch ruhige Gegenden ansteuern kann. Während in Reykjavik an belebten Tagen drei Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 5500 Menschen anlegen, teilt man hier ruhige Fjorde und idyllische Kleinstädte mit maximal 200 anderen Gästen.

Doch diese verteilen sich ohnehin meist auf verschiedene Touren. Das Hochseeangeln in den beschaulichen Ostfjorden buchten gerade einmal vier Anfänger, die noch niemals eine Angel in der Hand gehabt haben. Umso größer war hier die Freude, innerhalb von nur zwei Stunden 50-Kilo-Schellfisch und Dorsch aus dem Wasser zu ziehen. Auch Prominente wie David Beckham oder US-Schauspieler Owen Wilson betätigten sich heuer bereits als Fischer in Island. Sie waren vor allem an Lachs interessiert.

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Der Fang kann anschließend an Bord verspeist werden. "Zu 80 Prozent wird beim Menü ohnehin Fisch ausgewählt", erzählt Hotel-Manager Thomas Pfennings. "Fish and Fish?", fragen die stets gut gelaunten Kellner, wenn es um die Wahl von Vor- und Hauptspeise geht. Die Ware stammt von Kauri Johannsson, dem lokalen Fischhändler von Isafjördur. Er ist ein typischer Isländer mit gar nicht so seltenen familiären Verwicklungen – seine Urgroßmutter ist mütterlicherseits und väterlicherseits die gleiche Person.

Mutprobe Gammelhai

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Wer besonders mutig ist, probiert Kauris Gammelhai. Das ist eine Speise, die vor allem (manche sagen ausschließlich) bei Isländern beliebt ist und rund eineinhalb Jahre vor sich hin verrottet und trocknet. Der ursprünglich giftige Grönlandhai schmeckt dann wie Fisch mit Gorgonzola überzogen und ist stets die große Mutprobe für Touristen. Als Abgang ist ein Brennivin-Schnaps empfehlenswert. Der Ammoniak-Geruch und der spezielle Geschmack bleiben dennoch ein Begleiter für die nächsten Stunden.
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Nicht nur wegen der grandiosen Landschaft, allein wegen des Essens (abseits des Hais) lohnt sich eine Reise in das Land am Polarkreis. Vom Joghurt-ähnlichen Skyr über gebeizten Lachs bis zu feinstem Lamm in allen Variationen kann man sich gar nicht durchkosten in zehn Tagen Kreuzfahrt. Manche Speisen – wie etwa Wal, Pferdesteak oder Papageientaucher – sind eher eine Gewissensfrage; an Bord werden sie deshalb erst gar nicht angeboten.
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Die bunten Papageientaucher sind jedenfalls auch ein Besuchermagnet. Eine Kolonie von einer Million Vögel ist auf den Westermännerinseln ein paar Kilometer südlich von Island zu beobachten. Am besten auf eigene Faust ganz im Süden eine Tour entlang der Klippen machen (dort sind auch Robben anzutreffen). Doch dafür sind gutes Schuhwerk und Trittsicherheit Voraussetzung. Aufgepäppelte und zahme Exemplare finden Interessierte weniger beschwerlich im Sæheimar-Aquarium. "Tóti" lässt sich sogar streicheln.
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Ein weiteres Highlight ist der Ausritt an der nebelreichen isländischen Küste – inklusive Sichtungen von Seehunden sowie Robben und Naherfahrungen mit adlerähnlichen Raubmöwen, die ihre Nester schützen und deshalb bis auf einen Meter heranfliegen. Die Island-Pferde sind allerdings auch frei lebend anzutreffen.

Kaum Dunkelheit

An der Bordbar oder der Observation Lounge am Oberdeck werden dann abends die Berichte und Fotos über die Erlebnisse des Tages ausgetauscht. Da die Sonne im Sommer zwar für kurze Zeit untergeht, es aber nie wirklich dunkel wird, ist der Schlafrhythmus ohnehin verschoben. Gemeinsam werden hier die spektakulären Ein- und Ausfahrten beobachtet, wenn es in die Fjorde geht. Traumwetter darf nicht immer erwartet werden, in Island liegt der heurige Hitzerekord bei gerade einmal 18 Grad, normale Sommertemperaturen liegen um die acht bis 15 Grad. Das Wetter wechselt oft – von Regen und Sturmböen bis zu strahlendem Sonnenschein ist alles möglich. Und das oft innerhalb nur eines Tages.

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Die Mannschaft versucht jedenfalls ihr Bestes, um auch die schlechten Phasen zu überbrücken. Isländische Expeditionsleiter wie Birgir Johannesson und Hermann Gudmundsson halten großartige Vorträge über isländische Besonderheiten, von der lokalen Vogelwelt über die ganze Geschichte rund um die 13 Weihnachtsmänner bis zum kleinen Isländisch-Crashkurs.
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Die Bezeichnung "Expedition" ist für die Kreuzfahrt vielleicht etwas hoch gegriffen, es ist eher eine Light-Version davon. So gibt es nur zwei Touren mit den Zodiacs, bei den Anlandungen sind normale Ausflüge wie auf anderen Kreuzfahrten eher der Standard. Die Gletscherlagune Jökulsarlon sollte dabei ein Fixpunkt sein. Diese war nicht nur Drehkulisse für James Bond, sondern besticht durch bizarre Eisformationen, die am Vulkansandstrand liegen und in allen Blautönen im See schwimmend zu bestaunen sind. Das Eis stammt vom Vatnajokull – dieser Gletscher ist allein so groß wie das Bundesland Salzburg.
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