Heinz Ekam war acht Monate im Himalaja. Statt Gipfel sammelte er Begegnungen.
Dort, wo Mariazell-Pilger vor Erschöpfung auf die Knie sinken und nur noch ins Bett wollen, da läuft sich der Grazer Heinrich Ekam erst warm. Extrem weite Distanzen sind sein Metier. Acht Monate dauerte seine jüngste Trekking-Tour durch die Riesenberge des Himalaja und des Karakorum, vom exotischen West-Bengalen bis zum terrorgeplagten Pakistan. Im K 2-Basislager wollte er sich mit Gerfried Göschl treffen, telefonierte vor dessen Aufbruch zum Hidden Peak noch mit ihm, aber zu dem Treffen sollte es nicht mehr kommen, Göschl ist seit 9. März am Gasherbrum I verschollen. „Bei unserem letzten Telefonat war er voller Optimismus.“
Unterwegs im Schatten von Mount Everest und Nanga Parbat bekam der Grazer nichts mit vom Geschick seines Bergkameraden.Ekam hatte seinen eigenen Kampf zu führen, durch weglose Geröllfelder, Schneestürme und vor allem gegen die eigene Angst. „Manchmal war das schon knapp.“
Das falsche Objektiv
Dafür kann der 49-Jährige heute was erzählen. Das tut er auch. Mit seinen Vorträgen tourt er zwischen Bad Ischl und Bärnbach durch Veranstaltungszentren und Festsäle. Wer kann schon von sich sagen, dass er einen Schneeleoparden beobachtet hat, der eine Schafherde überfällt. „Leider habe ich da das Weitwinkel draufgehabt, die Fotos kann man nicht herzeigen.“ Oder splitterfasernackte Bergsteiger aus dem Süden des Subkontinents, die sich aus kindlicher Freude im Himalaja-Schnee wälzen.
Wichtiger als vom Aussterben bedrohte Raubtiere sind Ekam die Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Kulturen auf seinem Weg. Manche wie die zweiBurschen aus Leh, der Hauptstadt der Region Ladakh im indischen Bundesstaat Kashmir (siehe Bildergalerie rechts), kamen einfach auf ihn zu, „die haben sich gefreut, dass ich sie fotografiert habe, das waren ganz normale Teenager“.
An zwei farbenprächtigen Sadhus, heiligen Hindus, die in den Straßen von Kathmandu in der Nähe des historischen Königspalasts gegen eine freiwillige Spende für Touristen posierten, konnte Ekam nicht vorbeigehen. „Das war das einzige Mal, dass ich auf dieser Reise für Bilder bezahlt habe, umgerechnet waren das 50 Cent.“
Einetibetische Nomadin, die an einem entlegenen Salzsee auf 4500 Metern Seehöhe ihr Sommerlager aufgeschlagen hat, als Ekam vorbeikam, bewegte den Weitwanderer. Die Frau lebt mit Ziegen und Schafen und stellt Angora-Wolle her. „Diese Menschen teilen ein besonderes Schicksal. 2000 Tibeter sind nach dem Einmarsch der Chinesen vor 65 Jahren über die Grenze nach Indien geflohen, wurden dort aber nie als Flüchtlinge anerkannt. Sie sind nur geduldet und daher gegenüber Fremden – auch mir – misstrauisch.“
Auf der längsten Etappe der Strecke, von Zanskar/Lingshed nach Kargil lernte Ekam die Gastfreundschaft im westlichen Himalaja kennen. „Ich wurde bedingungslos in jedes Haus zum Tee eingeladen, mir wurde Essen angeboten, obwohl die Menschen selbst unter einfachsten Umständen leben und im Vergleich zu uns bettelarm sind.“ Es klingt ein bisschen kitschig, aber Ekam hatte das Glück, glückliche Menschen kennenzulernen. Menschen, die ohne Online Banking, Klimaanlage und Goretex-Jacken leben können. „Ich wollte länger bleiben, weil ich mich dort sehr wohlgefühlt habe.“ Nach 71 überquerten Pässen und mehr als 3000 Kilometern Fußmarsch war die Reise dennoch zu Ende. In Pakistan wurde es noch einmal spannend, bei Ekams Ankunft gab es Terroralarm im Norden des Landes und der Österreicher geriet in eine Kontrolle.
Ekam wird noch bis Ende des Jahres brauchen, um sich von den Strapazen zu erholen. 2014 ist er wieder weg. Sein Ziel: eine Solowanderung zum Südpol. Die Frage nach dem Warum beantwortet er so. „Ich war noch nicht aus den Bergen heraus, schon hatte ich Heimweh nach den Felsen und Gletschern, den eiskalten Nächten in Schnee und Eis.“