Ski-WM verpasst St. Moritz Imagepolitur
Von Barbara Reiter
Das Fenster zur Welt befindet sich in einem Haus in St. Moritz. Dort sitzt Hans Peter Danuser, 69, an seinem Schreibtisch, blickt direkt auf den glitzernden St. Moritzersee und hat damit den Treffpunkt der Schönen und Reichen unmittelbar vor der Nase. Im Jänner fand hier das alljährliche Polo-Turnier statt, jetzt im Februar ist der zugefrorene See Schauplatz des White Turf, des legendären Pferderennens, das seit 1907 ausgetragen wird (Bild oben) und mit St. Moritz verbunden ist wie das Champagnerklima und die 322 Sonnentage pro Jahr. "Wir haben seit Wochen wolkenlosen Himmel", schwärmt Danuser, der von 1978 bis 2008 als Tourismusdirektor die Geschicke von St. Moritz gelenkt und den Ort als Marke stark gemacht hat. "Zürich ist nur drei Stunden entfernt und versinkt seit Wochen im Nebel. Bei uns gehört die Sonne einfach zum Gesamtpaket."
Auch in Maloja, dem idyllischen Passdörfchen unweit von St. Moritz, scheint die Sonne angeblich an 322 Tagen pro Jahr
Das soll sich auch der Wettergott merken, der die nächsten zwei Wochen seine schützende Hand über St. Moritz halten muss, weil hier von 6. bis 19. Februar zum 5. Mal die Ski WM stattfindet – so oft wie in keinem anderen Ort. Als es 2003 das letzte Mal so weit war, diente die WM noch dazu, die damals vorherrschende starke Position des Nobelskiortes weiter zu festigen, sagt Danuser. 14 Jahre später sieht die Sache anders aus. "Die WM ist zu einem Turnaround-Vehikel geworden. Es geht nun darum, zu beweisen, dass St. Moritz nach wie vor da ist."
"Der Neuanfang ist eine Chance zur Befreiung"
Für Außenstehende mag der Wintersportort des Jetsets nie weggewesen sein, die Zahlen und Hans Peter Danuser erzählen aber eine andere Geschichte. Jene von Nächtigungen, die seit 2008 um ein Drittel abgenommen haben. Oder jene vom zehn Minuten entfernten Flughafen Engadin, auf dem vor zehn Jahren noch 20.000 Bewegungen gezählt wurden, deren Zahl aber mittlerweile um ein Drittel gesunken ist. Die Finanzkrise und der damit verbundene Kursanstieg des Frankens lassen grüßen. "Das ist aber nicht der einzige Grund", glaubt Tourismusprofi Danuser. "Wäre es so, würde das für Zermatt auch gelten. Der Ort hat aber bei den Nächtigungen sechs Mal weniger verloren als wir. Es liegt auch am falschen Branding."
Damit meint er, dass St. Moritz seit 2008 nicht mehr als Einzelmarke, sondern zusammen mit dem Engadin promotet wird. "Das Engadin ist wunderschön, aber es steht für etwas komplett anderes als St. Moritz. Das ist so, als gäbe es plötzlich einen VW-Porsche. Das schwächt eine Marke." Deshalb hofft Danuser auf den Umschwung, der mit dem Vorarlberger Gerhard Walter kommen soll. In der Vergangenheit als Geschäftsführer für Lech-Zürs Tourismus und Kitzbühel Tourismus tätig, soll er sich ab Mai als neuer CEO der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz des Formtiefs des Ortes, wie Danuser es nennt, annehmen. "St. Moritz ist ein tolles Produkt. Der Neuanfang ist eine Chance zur Befreiung."
Stardesigner für St. Moritz
Der Startschuss dafür ist schon gefallen: Gebäude wie der Bahnhof oder der Eispavillon beim Nobelhotel Kulm erstrahlen dank WM in neuem Glanz. Der britische Star-Architekt Lord Norman Foster hat damit nun schon dem dritten Objekt, St. Moritz seinen exklusiven Stempel aufgedrückt. Sehenswert auch sein exklusives Wohnhaus "Chesa Futura", das wie ein Kürbis ausschaut und zugleich futuristisch und traditionell wirkt.
Der britische Star-Architekt Lord Norman Foster verschönert St. Moritz: die Chesa Futura...
..und der Eispavillon beim Kulm Park
"Wenn Sie Menschen haben, die nicht nur Stammgäste sind, sondern sich auch engagieren, wie Foster oder Matteo Thun, dann kann es nur bergauf gehen", meint Danuser, der Namen weiterer Unterstützer und treuer Stammgäste nennt. Fürst Albert von Monaco war erst kürzlich zu Gast, um als ehemals Aktiver bei einem Bob-Rennen Preise zu übergeben. Rolf Sachs, Sohn des legendären Gunter, der seinerzeit mithalf, St. Moritz groß zu machen, hat dem Ort auch nach dem Tod des berühmten Vaters die Treue gehalten. Er hat das ehemalige Stadiongebäude der Olympischen Winterspiele von 1928 und 1948 zwar zum Eigenzweck, aber immerhin vor dem Verfall gerettet. "Die Bevölkerung hat mittels einer Abstimmung ihr Okay zum Umbau in ein privates Wohnhaus gegeben", erzählt Danuser.
Rolf Sachs baute das vom Verfall bedrohte Stadiongebäude in ein Privathaus um
Dann wäre da noch die Via Suvretta, die zu den exklusivsten Straßen der Welt zählt und deren nicht existierende Liste der Bewohner, sich liest wie das Who is Who der Elite. Namen zu nennen, ist Hans Peter Danusers Sache nicht. "Es ist ein Zeichen von Schwäche. Und die Prominenz von heute ist viel diskreter als früher und zieht sich zurück." Nur so viel: Gekrönte Häupter, wie das holländische Königspaar, logieren lieber privat als im Hotel – in der Villa von Brauerei-Erbin Charlene de Carvalho-Heineken in der Via Suvretta. Für die jüngere Generation springt Heidi Klums On-off-Freund Vito Schnabel in die Bresche und eröffnete 2015 in St. Moritz seine Galerie. Reedersohn Stavros Niarchos folgte dem Lockruf des Freundes prompt und besuchte im Dezember 2016 eine Ausstellung. Der Jetset von einst ist ausgeflogen, aber der Jetset von heute kehrt ins Nest zurück. Trotzdem stellt Danuser klar: "Schnabels Galerie ist nur eine von vielen. St. Moritz ist nach Zürich und Basel die Nummer drei in der Schweiz, was Kunst betrifft."
Davon können sich auch die Zuschauer der Ski-WM überzeugen. Beim frisch renovierten Eispavillon, wo auch die Medaillen vergeben werden, ist ein 20 Meter großer Skifahrer aus Holz stiller Wegweiser für das Thema der nächsten Zeit. Und am St. Moritzersee strahlt die phänomenale Installation "The Sky Over Nine Columns" des deutschen Künstlers Heinz Mack bis Mitte März mit der Sonne um die Wette: 850.000 quadratische Goldplättchen, 24 Karat, auf neun Säulen angebracht. Elitär und mondän, wie man es im Ort gerne sieht.
850.000 Goldplättchen: Exklusive Kunst von Heinz Mack für St. Moritz
Das soll trotz Krise und wegen der 3.500 Jahre alte Geschichte von St. Moritz auch so bleiben. "Damals hat alles mit heilendem Quellwasser angefangen und es gab seitdem immer wieder ups and downs. Aber wir haben faszinierende Sachen zu bieten, die es woanders nicht gibt. Deshalb sollte Jammern bei Strafe verboten werden." Begnadigt werden nur die Profisportler, die bei der WM im Kampf um Hundertstel unterliegen. Die, nur die, dürfen ein bisschen traurig sein.
St. Moritz in Bildern:
Romy Schneider, angesagteste Schauspielerin der damaligen Zeit, (o.) hinterließ 1971 in St. Moritz ihre Spuren im Schnee
Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand, (o. mit Frau Sophie und Sohn Maximilian) war offenbar nebenbei auch noch Trendsetter. Der St.Moritz-Gast wusste schon 1912, wo der Jetset Urlaub macht.
Stammgast Gunter Sachs machte St. Moritz berühmt. Der begeisterte Bobfahrer heiratete 1969 dort auch seine geliebte
Frau Mirja und blieb es bis zu seinem Tod 2012.
35 Jahre lang kam Alfred Hitchcock (mit Frau Alma) ins „Badrutt's Palace“ nach St. Moritz. Dort soll er an einem Schreibtisch auch die Idee zu seinem berühmten Film „Die Vögel“ gehabt haben.
John Lennon trug Bob und fuhr ihn auch. Natürlich kam er 1965, mit seiner ersten Frau Cynthia, auch zum Skifahren.
Prominente Familien, wohin das Auge reicht: Fürst Rainier beim Spaziergang im Nobelort mit Tochter Caroline und Enkel Andrea 1983 (o. l.).
Die extrem trendige Eliette von Karajan wurde mit Mann Herbert und den Töchtern Arabel und Isabel ( plus Schäferhund) 1983 vor ihrem Haus fotografiert.
Mohammad Reza Pahlavi, Schah des Iran, urlaubte nicht nur in St. Moritz, sondern besaß dort eine Villa. Seine Frau Farah (hier mit den Kindern Reza und Faranz, 1967), war eine begeisterte Skifahrerin und galt damals dort als Star des Jetsets.
Ihr Mann Winston, einst britischer Premier, stand für den Spruch: „No Sports!“ Darauf hörte die skibegeisterte Clementine Churchill 1937 offensichtlich nicht.
St. Moritz liegt im Schweizer Kanton Graubünden und ist einer der berühmtesten Kur- und Skiorte der Welt. Der Ort hat rund 5.000 Einwohner und liegt auf 1.800 Metern. Dank der Höhe bleibt der Schnee bis ins späte Frühjahr pulvrig. 1928 und 1948 wurden hier Olympische Winterspiele abgehalten, die Ski-WM findet heuer zum fünften Mal statt. St. Moritz verfügt über 500 km Langlaufloipen und 88 Abfahrten mit einer Gesamtlänge von 350 km. Der Flughafen Engadin liegt zehn Minuten entfernt, ist aber nur für Charterflüge geöffnet. Die Landegebühren sind sehr teuer. Deshalb bleibt diese Anreise wohl nur der High Society vorbehalten. Weniger betuchte Gäste kommen mit Auto oder Zug. Die Anreise von Wien dauert sieben Stunden (633 km), von Innsbruck sind es 190 km und zweieinhalb Stunden Reisezeit.
„Magic Snow – The Birth of a Passion“
So heißt die Show, mit der die Ski-WM in St. Moritz am Montag im Kulm Park von FIS-Präsident Gian Franco Kasper in seinem Heimatort eröffnet wird. Am Dienstag geht’s los mit dem Super G der Damen. Zuschauer können alle Rennen vom Rand der Piste aus mitverfolgen, nur im Stadion wird Eintritt verlangt. Die Königsdisziplin, die Abfahrt der Herren, findet am Samstag statt. Ein absolutes Highlight ist der legendäre Starthang „Freier Fall“ mit einem Gefälle von 45 Grad, auf dem die Läufer in sechs Sekunden von 0 auf 140 km/h beschleunigen. Michael Walchhofer (u.) holte bei der WM 2003 in St. Moritz Gold
Schöner Wohnen
St. Moritz ist der Berg-Ort mit der höchsten Dichte an Fünf-Sterne-Häusern. Eine Auswahl für Wohlbetuchte.
BARDRUTT'S PALACE HOTEL
Stars wie George Clooney trifft man am ehesten hier. Das phänomenale Haus im Zentrum von St. Moritz ist optisch geprägt von seinem einzigartigen Turm.
KULM HOTEL
Eine 160-jährige Geschichte (und damit eine noch längere als das elitäre Badrutt’s) hat das Kulm Hotel, ebenfalls ein Flaggschiff mit bester Aussicht auf den St. Moritzersee.
CARLTON HOTEL
Das jüngste Fünf-Sterne-Haus (Totalrenovierung 2007) ist auch das mit der besten Lage. Es verfügt über eine 500 m² große Suite, die als größte der Alpen gilt.
SUVRETTA HOUSE
Etwas außerhalb von St. Moritz liegt das vornehmste aller Häuser und besticht mit einem einzigartigen Blick über die Oberengadiner Berg- und Seenlandschaft.
GIARDINO MOUNTAIN
Ein Hotel für all jene, die ein kleines, feines Luxushotel einem Grandhotel vorziehen. Das Giardino Mountain liegt im Ort Champfèr, fünf Kilometer von St. Moritz entfernt.