Egal, ob als Badewaschl belächelt oder als Retter in der Not gefeiert – der Schmäh geht ihnen nie aus. Ein Besuch bei den wahren Helden dieses Jahrhundert-Sommers: den Wiener Bademeistern.
Rett’ mi, bitte, hüf ma – oder hast ka Zeit wegen die Paparazzi“, feixt ein silberhaariger Schafbergbad-Veteran aus dem azurblauen Sportbecken Richtung Bademeister-Sitz. „No kumm außa, dann werd i da scho höfn“, ruft Helmut zurück, um gleich darauf klarzustellen: „Oba Mund-zu-Mund-Beatmung gibt's kane.“ Der Schmäh rennt, es ist ein angenehmer Wochentag, sonnig, aber nicht zu heiß, eine Verschnaufpause zwischen zwei ungewohnt langen Hitzeperioden. Helmut, den sie Helmerl nennen, ist ein routinierter Bademeister, kennt die vielen Stammgäste, weiß, wie er sie „nehmen“ muss. Erst nach einigem Überreden hat er sich zum Interview bereit erklärt. „Ihr schreibt's ja eh nur, dass wir den ganzen Tag herumsitzen und drauf warten, dass ma braun werden“, sagt er skeptisch, „aber wenn was passiert, müssen wir da sein.“ Das ist der Moment, auf den die Bademeister bei knapp 40 Grad Hitze, 90 Dezibel am Beckenrand und einem unüberschaubaren Gewusel an Beinen und Körpern den ganzen Tag hoch konzentriert warten, der Moment, den die Anfänger fürchten – und von dem alle hoffen, dass er nicht eintreten wird. „Oba genau dafür samma do: die Wasserpartie, dass ma wen außazahn.“ Leben oder Tod, da geht’s um Sekunden. Und drei bis vier Mal in der Woche müssma ins Becken, manchmal drei Mal am Tag“, sagt Helmerl.
Alle Inhalte anzeigen
Alle Inhalte anzeigen
Die meiste Zeit verbringen Helmerl und seine Kollegen allerdings damit, eben solche Ernstfälle zu verhindern. 367-mal pro Stunde darauf hinweisen, dass Beckenrandsprünge verboten sind und man im Poolbereich nicht laufen darf, weil’s wegen der Rutschgefahr zu gefährlich ist. Und für die Kinder scheint es ein unwiderstehlicher Nervenkitzel zu sein, den Geduldsfaden der Spaßverderber in Weiß auf eine Zerreißprobe zu stellen. „Na jo, Kinder halt, die müssen a bissl schaun, was geht, den Badewaschl ärgern“, sagt Helmerl und schmunzelt, „wir warn ja a ned anders.“ Stimmt, ich erinnere mich: Den Langsamsten erwischt der Bademeister. Damals zogen sie uns dann aber auch gleich schmerzhaft am Ohr Richtung Ausgang. „Des derf ja heit kaner mehr. Zum Glück“, sagt Helmerl. Und zu einer Gruppe zehnjähriger Buben, die am schmalen Rand des Kinderbeckens balancieren: „He! Owa do, heast!“ Die Jungs gleiten wieder ins Wasser. Um nach einigen Minuten, mit Blick auf den Bademeister, wieder einen Versuch zu starten. Helmerl hat sie genau im Auge, schaut grimmig. Sie verziehen sich. Helmerl grinst. „Kinder halt“, sagt er.
Alle Inhalte anzeigen
Mit Beckenrandsprüngen steht auch Josef, ein an sich gemütlicher Mensch und seit 14 Jahren Bademeister im Kongressbad, auf Kriegsfuß. „Weil’s echt gefährlich ist“, sagt er kopfschüttelnd. „Erst letzte Woche wurde ein Mädchen schwer verletzt. Und wenn's irgendwie in meiner Macht steht, dann will ich das verhindern.“ Ein wichtiges Mittel, um sich auch bei Tausenden kreischenden, lachenden Badegästen Gehör zu verschaffen, ist seine Trillerpfeife. Während die meisten seiner Kollegen auf die „Fox 40“, die offizielle UEFA-Schiedsrichterpfeife, setzen, verwendet Josef eine original NHL-Trillerpfeife mit Kugel. „Die überhört keiner“, sagt der gebürtige Slowake und leidenschaftliche Eishockey-Fan. Auch ihn führen die meisten Einsätze nicht ins Wasser, sondern auf die Steinplatten außerhalb des Pools. Aufgeschürfte Knie, Prellungen – Bademeister sind die Ersthelfer bei allen Arten von Verletzungen. Bei Hitzewellen wie heuer kommt’s außerdem immer wieder zu körperlichen Problemen. „Wir müssen auf alles vorbereitet sein, aber dafür sind wir ausgebildet – und dafür sind wir da“, sagt Josef. Badegast Regina ist jedenfalls begeistert von Josef und seinen Kollegen. „Die sind super“, sagt sie, „immer freundlich. Manchmal auch streng, aber des muss halt auch sein.“ Und was meint Josef? „Das Kongressbad ist das schönste der Stadt. Und so soll’s auch bleiben.“
Alle Inhalte anzeigen
Davon sind allerdings auch die Kollegen im Gänsehäufel überzeugt. „Schauen S' doch nur“, sagt Dragica und zeigt vom Weststrand Richtung Skyline der City, „was könnt denn noch schöner sein?“ Die Bademeisterin mit serbisch-ungarischen Wurzeln hat ursprünglich eine Hotelfachschule in
Novisad besucht und ist schließlich als Eisverkäuferin in einem Wiener Kinderbad gelandet. Dort kam sie das erste Mal in näheren Kontakt mit Bademeistern – und entdeckte ihren Traumberuf. Die Aufnahmeprüfung war für die geübte Schwimmerin und Junioren-Basketballerin kein Problem, heuer hat sie sich diesen Traum erfüllt. Vor allem Dragicas Laufstärke beeindruckt auch ihre männlichen Kollegen – und die ist auf dem 33.000 Quadratmeter großen Areal mit 1.000 Metern Strand, Wellen- und Familien-Becken durchaus gefragt. „Wir machen regelmäßig Laufübungen, bei denen drauf g’schaut wird, dass jeder rechtzeitig an seinen Einsatzort kommt“, erklärt Bassin-Aufseher Peter. „Weil guat schwimmen allein reicht net – die Abläufe müssn 100-prozentig sitzen, sunst geht's zua wie in an Hühnerstall.“ Warum passiert's überhaupt, dass Menschen, die eigentlich gut schwimmen können, plötzlich untergehen? „Panik, in den meisten Fällen ist es die reine Panik. Wennst da zum Beispiel denkst, ,Scheiße, des wird mir jetzt doch zu weit' – dann geht's scho los.“ Sein Tipp? „Ruhe bewahren, zrucklegen, treiben lassen – wir kommen scho.“ Aber natürlich kommt’s bei extremen Temperaturen auch oft zu Herz- und Kreislaufproblemen. Da ist dann Ende mit ,Ruhe bewahren'. „Natürlich, da hilft nur: vorbeugen. A Schattenplatzerl, vüh trinken – oba kan Alkohol –, regelmäßig essen, oba was Leichtes. Wenn i schau, wie sich d’ Leut in die ärgste Sonn legen und bei 40 Grad a Cordon einehaun, wundert’s mi eher, dass net mehr passiert.“
Alle Inhalte anzeigen
Für die meisten Besucher präsentiert sich das Gänsehäufel zwischen Tennisplatz und Fußballfeld, Schachpartie und Kabanenplauscherl aber als ungetrübte Urlaubsidylle vor der Haustür. Trouble in Paradise? „Jo, gibt's scho a immer wieder“, sagt Peter, „dumme Buam meistens, die irgendwas beweisen wollen.“ Oder etwas haben. Letztens konnten Peter & Co. einen Handydieb stellen. Der sich, auf frischer Tat ertappt, anschickte zu flüchten. „Wannst rennen wüst, dann renn, Depperter“, rief Peter ihm nach, „wo wüst denn hin – des is a Insel!“ Der junge Mann versuchte schließlich, schwimmend zu entkommen. „Ausgerechnet ins Wasser geht er“, Peter schüttelt amüsiert den Kopf, „des is doch unser Element. Da hamma eahm glei g’habt.“
Was sich Peter für den Rest der Saison wünscht? Dasselbe wie jedes Jahr, dasselbe wie die Bademeister in den anderen Bädern, Helmerl, Ali, Josef, Mohamed, Dragica, Markus, Juan und wie sie alle heißen: Dass Eltern ihren Kindern Schwimmflügerln anziehen, dass sich die Dummheiten in Grenzen halten, dass sich ausnahmsweise niemand überschätzt und jeder seine Nachbarn respektiert – dass sie sich ganz umsonst bei Hitze und Lärm auf die glitzernden Wasserflächen konzentrieren. „Ich brauch kan Orden“, sagt Markus, Student und Gänsehäufel-Bademeister, „ich will nur, dass niemand was passiert.“ Recht hat er.