Auf Italien pfeif i!
Von Uwe Mauch
Der metallische Klang, den die dünnen Stahlseile der Boote, die sogenannten Fallen, erzeugen, wenn sie gegen die Masten schlagen. Diesen Klang hat sie seit ihrer Kindheit im Ohr. Sie hat ihn später auf den Weltmeeren gehört.
Sie genießt ihn auch hier. Auf dem Weltmeer der Wiener – an der Anlegestelle der Segelschule Hofbauer, an der oberen Alten Donau.
Ab und zu fährt die Buchautorin Judith Duller-Mayrhofer nach der Arbeit mit der U-Bahn zum Hofbauer, um sich einen kühlenden Weißen Spritzer zu gönnen, den Windgeräuschen der Boote zu lauschen und der Sonne beim Untergehen hinter dem Kahlenberg zuzusehen.
"Sundowner" nennen das die Segler auch.
In so einem Moment muss ihr auch die Idee gekommen sein, eine Hommage auf die Alte Donau zu schreiben.
Der Donau-Altarm breitet sich auf 1,5 aus und ist 8 km lang. Er ist mit drei U-Bahn-Linien erreichbar, wird jährlich von 1,5 Millionen Menschen frequentiert und ist dennoch das Zuhause für das Pfeilkraut und die gelbe Schwertlilie, für Segellibellen, Teichhühner, Teichfrösche ebenso wie für 19 verschiedene Fischarten.
Kurt Mastny kennt sie alle. Der passionierte Hobby-Fischer kommt schon seit 52 Jahren an die Alte Donau. Er selbst, so erzählt er, hat hier "große Karpfen, große Hechte und große Welse" gefangen. Was ihn manchmal sehr wundert: "Dass die Wiener nicht mitbekommen, in welch herrlicher Stadt sie eigentlich leben."
Dann richtet sich sein Blick über das Wasser – auf das kleine Gänsehäufel, jene Halbinsel, auf der Polizisten, Mitarbeitern des E-Werks und des Siemens-Konzerns und auch Straßenbahnern eigene Bäder offenstehen.
Letztere haben es besonders gut erwischt: Ihre Bademeisterin Anna Cernanska pendelt aus Bratislava nach Kaisermühlen, um das Bad so zärtlich wie ihren eigenen Garten zu pflegen. "25 Jahre lang habe ich von einem Garten geträumt – und jetzt kann ich sagen, dass ich hier die schönste Arbeit habe, die ich mir nur vorstellen kann."
Und da ist das Restaurant am Wasser, in dem Pächter Tamás Grosz und seine 19 Angestellten täglich (auch sonntags, auch im Winter) ein Menü zaubern, das in der Innenstadt gut und gerne das Dreifache kosten würde.
Die Massen zieht es woanders hin – zum benachbarten Gänsehäufel. Ein Bus, der Bäderbus, bringt die Fahrgäste direkt zu den Eingangstoren des Strandbads. An heißen Tagen finden hier bis zu 30.000 Menschen Abkühlung.
Famos ist der Blick vom Kaiserwasser, das sich in seinen kleinen Buchten auch in diesen Tagen mit Seerosen geschmückt hat, auf die Skyline der Donauplatte. Während hier eine Entenfamilie in Richtung Ufer schwimmt, bauen sie auf den bereits mächtigen DC-Tower das nächste Stockwerk drauf.
"Wohnen wie am Wörthersee", wird auf einem Schild vor einer besonders unschönen Baustelle geworben. Die Frage ist nur, wen das beleidigt – die Kärntner oder die Wiener?
Ruderer und Radfahrer, Segler, Jogger, Hundebesitzer, Hunde – alle ziehen sie achtlos an dieser Aufschrift vorbei. Ältere Anrainer beschweren sich dagegen, dass die Immobilienhaie schön langsam das Idyll ihrer Jugend zubetonieren.
Erquicklicheres: Schon in den ersten Jahren nach der Donauregulierung haben an der Alten Donau nicht nur Boots-, sondern auch gastronomische Betriebe angedockt. 150 Jahre später ist auf der Terrasse "beim Birner" kein einziger Tisch frei. Und die Tisch-Gesellschaften erfreuen sich am Gebackenen.
Deutlich gemächlicher geht es daneben beim Wiener Yacht Club zu. Nur zwei der gut 100 Vereinsmitglieder hantieren gerade an einem Boot. Gerhard Salomon, der in sich ruhende Ehrenpräsident, würde in seinem Club ein paar neue, jüngere Segler begrüßen.
Einstweilen erfreut er sich an den Farben des Sonnenuntergangs: "Das ist wie Gold im Wasser. Eigentlich ist es das Paradies auf Erden." Fendrichs altbekannte Liedzeile "Auf Italien pfeif i" kennt natürlich auch er.
G’schichterln: Das Idyll in der Stadt
Vorgeschichte In den Jahren 1870 bis 1875 wurde die Donau, die zuvor oft über die Ufer getreten war, reguliert. Durch den Aushub eines neuen Flussbetts wurde aus jenem Arm, der zuvor am meisten Wasser transportiert hatte, ein Altarm – die Alte Donau.
Lange Geschichte Lange vor der Jahrhundertwende kamen die Wiener und Wienerinnen zur Alten Donau hinaus: Zum Baden, Essen, Trinken, Segeln, zum Rudern – und Küssen.
Neue Geschichte Die weit gereiste Segel-Expertin Judith Duller-Mayrhofer hat der Alten Donau ein gleichnamiges Buch gewidmet (im Metroverlag erschienen, 12 €). Darin beschreibt sie ein Wiener Idyll.