Politik

Wie fair ist der Prozess in Dubai?

Eugen Adelsmayr steht schweigend hinter der hölzernen Einzäunung. Mittwoch, 28. Dezember 2011, Dubai Court: Der wegen Mordes an einem Patienten angeklagte Arzt aus Bad Ischl lauscht genüsslich den Ausführungen seiner Anwältin, die er vom Arabischen ins Englische übersetzt bekommt. Die Juristin sorgt für einen Knalleffekt: Die Anklage, die den 52-Jährigen aus Bad Ischl des Mordes an einem Patienten bezichtigt, sei manipuliert worden, erklärt sie wortgewaltig den drei Richtern.

Im heimischen Außenministerium weiß man von den Fälschungen, weist gebetsmühlenartig darauf hin. Ein gutes Ende in dem fragwürdigen Verfahren scheint zum Greifen nahe. Doch die Skandal-Rufe sind zwischen den Wolkenkratzern Dubais spurlos verhallt. An dem Mordvorwurf änderte sich nichts.
Die Dubaier Justiz hat bisher "nicht reagiert", sagt Peter Launsky-Tieffenthal vom Außenamt. "Mein Eindruck ist, dass sich nichts geändert hat", klagt Adelsmayr. Es geht für ihn um viel: Der Strafrahmen beginnt bei drei Jahren Haft und reicht bis zur Todesstrafe, die der Staatsanwalt fordert.

Seit September genießt der Mediziner einen Sonderstatus. Er durfte während der Prozesstermine zu Hause in Bad Ischl sein, pflegte dort seine krebskranke Frau, die erst vor wenigen Tagen starb. Am 22. Februar soll er erneut vor den Kadi. Doch wer kann garantieren, dass Adelsmayr einen fairen Prozess bekommt? Viele zweifeln daran. Seine zwei Söhne, Bekannte, Freunde, wildfremde Briefschreiber. Adelsmayr selbst auch: "Was soll ich noch beweisen?"

Vermittlung

Das Außenministerium startet deshalb am 11. Februar eine heikle Mission. Die Rechtshilfe-Chefin soll in Dubai eruieren, warum die aufgedeckten Unregelmäßigkeiten bisher im Wüstensand verlaufen sind. "Aus unserer Sicht ist die Grundlage für das Verfahren weg", erklärt Launsky-Tieffenthal. Nun sollen die "Verfehlungen nochmals vorgebracht werden".

Adelsmayr hält trotzdem an seinem Vorhaben fest: "Ich möchte an der nächsten Prozessrunde teilnehmen." Selbst folgende Episode stimmte ihn nicht um. Ein österreichischer Diplomat erklärte Würdenträgern in Dubai die Verfehlungen bis ins Detail. Auf eine Reaktion wartet er noch heute. Die Fälschungen sind jedoch unübersehbar. Manipuliert wurde plump und im großen Stil.

Adelsmayr wird vorgeworfen, einen Patienten falsch behandelt und ihm eine Reanimation vorenthalten zu haben. Der ursprüngliche Untersuchungsbericht der Gesundheitsbehörde zum Tod des Mannes stellt klar: Es gab keine medizinischen Fehler. Für den zweiten Vorwurf ließen sich laut Bericht keine Hinweise finden. Daraus hätte sich wohl keine Mordanklage basteln lassen.

Manipulation

Zum Mordverdächtigen wurde Adelsmayr erst in der arabischen Übersetzung. Als Übersetzer fungierte der Vorsitzende der Untersuchungskommission. Zwei Drittel, in erster Linie alles Entlastende, wurden weggelassen, Belastendes hinzugefügt, und überdies wurde schlichtweg inkorrekt übersetzt. Evident wurde dies, als die arabische Version zurück ins Englische übersetzt wurde. Adelsmayr beteuerte stets seine Unschuld, sprach immer von einer Intrige. Er besitzt Dokumente, die beweisen könnten, dass in Dubaier Spitälern zig Patienten nicht reanimiert wurden und daran gestorben sind. "Man will mich deshalb mehr als mundtot machen." Er hat in den letzten Monaten viel verloren: Seine Frau, seine Karriere, seine Lebensfreude. Einen Grund, den Prozess durchzufechten, gibt es für ihn aber: "Mir geht es um Gerechtigkeit."

Vier Fragen zum Fall Adelsmayr

Was wirft man dem Arzt vor?

Er soll einem querschnittgelähmten Patienten zu viel Morphium und zu wenig Sauerstoff gegeben haben. Überdies soll er per Order die Reanimation des Patienten untersagt haben. Für den Staatsanwalt war dies ein geplanter Mord.

Stimmen die Vorwürfe?

Laut Experten sind sie absurd. Der Sauerstoff sei auf Raumniveau gesenkt worden. Daran könne niemand ersticken. Das Morphium habe gar keinen Atemstillstand hervorrufen können, weil der Patient maschinell beatmet wurde.

Welche Strafe droht ihm bei einer Verurteilung?

Der Staatsanwalt fordert explizit seinen Tod. Der Strafrahmen reicht von drei Jahren Haft bis zur Todesstrafe, die jedoch bei Ausländern oft in lebenslange Haft umgewandelt wird.

Wie geht es weiter?

Für den 22. Februar waren die Schlussplädoyers der Anwälte – es gibt einen Zweitangeklagten – geplant. Adelsmayr durfte nicht aussagen. Das Urteil soll in einer folgenden Runde fallen. Jetzt drang durch, dass der Zweitangeklagte einen Antrag stellen will. Das würde den Prozess verzögern.