Politik

Wer fürchtet sich vor mehr Liberalität?

Wie wirtschaftsliberal ist Österreich? In Wahrheit gar nicht, bis auf ein paar versprengte Einzelkämpfer, die sich für mehr Eigenverantwortung, weitere Privatisierungen und Liberalisierungen einsetzen. Die in Wirtschafts- und Industriekreisen gewälzten Pläne einer eigenen Partei wurden angesichts der Finanz- und Schuldenkrise wieder ad acta gelegt. Und der austro-kanadische Unternehmer Frank Stronach wird die – hierzulande ohnehin recht kleine – Marktlücke auch nicht füllen wollen, wenn man die jüngsten Aussagen des Selfmade-Milliardärs betrachtet. Denn liberal – das klingt speziell in den Ohren der Österreicher schnell nach entfesseltem Kapitalistentum, das uns alle ins Verderben stürzt bzw. schon gestürzt hat.

Wer jetzt vom freien Markt spricht, muss verrückt sein bzw. eilig hinzufügen, dass ohne staatliche Kontrolle gar nichts geht. Interessanterweise sind aber gerade jene, die sonst immer groß für Solidarität, Entwicklungshilfe und Staatswirtschaft eintreten, stark dagegen, Griechenland solidarisch zu retten. Rechtsaußen und Linksaußen treffen einander in der Meinung, dass wir (die Reichen) nicht die ärmeren (wahrscheinlich auch korrupteren) Länder auffangen sollten. Sie meinen, dass hier nur sinnlos Geld verbrannt wird, ohne dass Österreich darauf künftig Einfluss nehmen kann.

Das Schlimme daran ist: Vielleicht haben Sarrazin, Strache, Stronach und Schulmeister sogar recht. Da wir uns leider gerade in einem riesigen wirtschaftspolitischen Experiment befinden, kann letztlich niemand sagen, was richtig und was falsch ist. Sicher ist aber, dass Länder wie Österreich und Deutschland schwer betroffen wären, wenn ihre Exportmärkte massiv einbrechen. Schließlich sind wir keine Insel der Seligen, die nur produziert, was die eigenen Konsumenten brauchen. Der Wohlstand kommt aus dem Export von Waren und Dienstleistungen. Das europäische wie das österreichische Wirtschaftsmodell werden daher in Konkurrenz mit China, Indien & Co. nur Zukunftschancen haben, wenn ein etwas weniger staatsgläubiges Lüftchen weht.

Leistungsträger nicht vertreiben

Es stimmt sicher, dass die Sozialpartnerschaft Österreich vor allzu gewagten Experimenten gerettet und für sozialen Frieden gesorgt hat. Aber in Zukunft bleibt diese Balance nur bestehen, wenn wir die flexiblen und mobilen Leistungsträger nicht mit hohen Steuern, Bürokratie, Sozialromantik, Frühpensionitis und alles lähmender Freunderlwirtschaft vertreiben (und nicht noch mehr Leute anlocken, die bevorzugt an unseren Sozialleistungen interessiert sind). Gerade wieder hat eine neue Studie der WU Wien gezeigt, dass Österreich Unternehmensneugründungen zwar großzügig fördert, dabei aber gerade die innovativen eher benachteiligt.

Zumindest Teile der beiden Regierungsparteien haben verstanden, dass mit den Schlachtrufen "Gerechtigkeit" und "Zaster her" nicht alles getan ist. Irgendwann wird die Talsohle der derzeit alle politischen Kräfte verbrauchenden EU-Krisenbewältigung durchschritten sein. Spätestens dann, aber besser schon jetzt könnte man Visionen für die Zukunft Österreichs entwickeln.