Weißrussland: Mit Vollgas in die Sackgasse
Von Stefan Schocher
Sie packen ihre Koffer. Die Vertreter der EU-Länder in Minsk verlassen Weißrussland. Das ist die vorerst letzte Eskalationsstufe in einem Konflikt, der sich am Dienstag und Mittwoch binnen weniger Stunden dramatisch zuspitzte.
Erst die Ausweitung der Sanktionen durch die EU, dann die Ankündigung Weißrusslands, seine Botschafter bei der EU und in Warschau abzuziehen – mit dem zeitgleichen Ratschlag an die Vertreter der EU und Polens in Minsk, das Land zu verlassen. Und darauf dann wieder die Reaktion der EU, alle Mitgliedsländer würden ihre Vertreter in Minsk abziehen.
Unabhängigen weißrussischen Medien zufolge planen die Behörden in Minsk nun auch, eine Liste mit Personen zusammenzustellen, die das Land nicht mehr verlassen dürfen. Darauf stehen soll etwa der Name der Chefin des unabhängigen weißrussischen Journalistenverbandes BASCH, Shanna Litwina. Totaler Stillstand also zwischen Weißrussland und der EU.
Ein Stillstand, der sich seit der Niederschlagung der Proteste gegen die Präsidentenwahl im Dezember 2010 angebahnt hat. In der Folge waren Aktivisten reihenweise verhaftet und ihre organisatorischen Strukturen weitgehend zerschlagen worden. Noch heute sitzen zahlreiche oppositionelle Politiker im Gefängnis, verurteilt zu langjährigen Haftstrafen.
Sanktionen
Parallel mit dem Vorgehen gegen politische Opponenten begann das Regime in Minsk, auch gegen internationale Organisationen vorzugehen. Im März des vergangenen Jahres wurde die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) des Landes verwiesen – nachdem deren Wahlbeobachter die Wiederwahl von Staatschef Lukaschenko kritisiert hatten.
Die Niederschlagung der Proteste markierte das Ende einer zaghaften Annäherung zwischen Minsk und Brüssel – und den Beginn von Sanktionen der EU.
Seither wurden 210 Personen auf eine schwarze Liste gesetzt, denen die EU die Einreise verwehrt. Konten wurden gesperrt. Vor allem handelt es sich um Vertreter der weißrussischen Justiz, des Geheimdienstes KGB und anderer Sicherheitsorgane. Aber auch Journalisten von Staatsmedien stehen darauf.
Am Dienstag war diese Liste um 21 Namen erweitert worden. Deutlich weniger als erwartet worden war. Von einer Ausweitung um bis zu 100 Personen war die Rede gewesen, nachdem die EU beschlossen hatte, auch Financiers des Regimes sanktionieren zu wollen. Konkret: Unternehmer sollten auf die Liste gesetzt werden.
Letztlich scheiterte das aber vor allem am Widerstand Sloweniens, das sich weigerte, der Aufnahme des Geschäftsmannes Juri Czih auf die Liste zuzustimmen. Slowenische Bauunternehmen haben über ihn Aufträge von mehr als 100 Millionen Euro am Laufen.
Schwerer Schlag
Vom Abzug der diplomatischen Vertreter zeigte sich das offizielle Minsk betont unbeeindruckt. Wobei Beobachter meinen, dass die Ausdehnung der Sanktionen auf Wirtschaftsvertreter schwerwiegende Auswirkungen auf das ohnehin massiv angeschlagene Land haben würden – seitens der Regierung war man dieser Tage etwa sehr stolz darauf, die Inflation 2012 mit 15 Prozent „stabil“ halten zu können.
Der diplomatische Bruch Weißrusslands mit der EU bedeutet, dass sich Minsk in die Arme Russlands begibt. Von dort kommt bereits Schützenhilfe. Noch-Premier und Demnächst-Präsident Wladimir Putin bezeichnete die Sanktionen der EU als „inakzeptabel und sinnlos“.