Verschärfungen im Fremdenrecht gekippt
Von Patricia Haller
Für einen Teil in Österreich lebender Migranten gelten Verschärfungen, die es seit Jahren im Fremdenrecht gab, ab sofort nicht mehr. Konkret geht es um türkische Staatsbürger mit österreichischen Ehepartnern.
Ausnahmen
Sie sind von folgenden Regeln ausgenommen: Nachweis von Deutsch vor der Einreise; Erfüllen der Integrationsvereinbarung, wenn sie einige Jahre im Land sind; Antrag auf Familienzusammenführung erst ab 21 Jahren. Dazu kommen weitere Ausnahmen vom Fremdenrecht.
Grund dafür sind Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes (VwGH). Die Sprüche wurden am Montag von der Grünen Integrationssprecherin Alev Korun und Helmut Blum, Anwalt eines Betroffenen, öffentlich gemacht. Dem Innenministerium müssen die Urteile bekannt gewesen sein. Das EuGH-Erkenntnis stammt vom November 2011, das des VwGH vom Jänner 2012.
Dass sich der EuGH mit dem Fremdenrecht befasste, geht auf den türkischen Staatsbürger Murat Dereci zurück. Herr Dereci suchte 2001 in Österreich um Asyl an. Während das Verfahren lief, heiratete er eine Österreicherin und wurde Vater von drei Kindern. Als er Jahre später einen regulären Aufenthaltstitel beantragen wollte, war das Fremdenrecht geändert worden. Die Behörden verlangten von Herrn Dereci die Ausreise und wiesen ihn an, von der Türkei aus einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Zudem bekam er einen Ausweisungsbescheid.
Diese Entscheidungen bekämpfte Herr Dereci beim Verwaltungsgerichtshof, der den Sachverhalt zur Vorabentscheidung an den EuGH weiterreichte.
Abkommen
Die Richter des EuGH verwiesen auf ein schon sehr lange bestehendes Assoziierungsabkommen der EU mit der Türkei. Demzufolge sind Verschlechterungen im österreichischen Fremdenrecht gegenüber türkischen Staatsbürgern mit österreichischen Partnern nicht anzuwenden – und zwar schon seit dem Beitritt Österreichs in der EU.
Die Grüne Korun verlangt vom Innenministerium nun eine rasche Klärung der Rechtslage. Zudem rechnen Rechtsanwalt Blum und Korun damit, dass die Ausnahmen für einen noch größeren Personenkreis gelten könnten. Anstatt ständig das Fremdenrecht zu verschärfen, sollte die Bundesregierung eine "Integrationsoffensive" ohne Zwangsmaßnahmen starten, an der sich die Grünen beteiligen würden. Korun: "Wir empfehlen, dass es vom ersten Tag an Integrationsmaßnahmen gibt. Wir brauchen ein leicht zugängliches System zu Deutschkursen und müssen den Migranten vermitteln, dass eine Teilhabe an der Gesellschaft in ihrem ureigensten Interesse ist."
Das Innenministerium zieht die Erkenntnisse nicht in Zweifel. Es liege nun an den Behörden, sie umzusetzen. Im Vorjahr hätten 765 Personen von den Ausnahmen profitieren können.