Politik

Unwetter: "Das Wasser hat alles genommen"

Vor dem Haus der Familie Pletz steht ein roter Container, in den die Helfer Berge an kaputtem Hausrat werfen. Den Kühlschrank, das Zimmerfahrrad, den Kinderwagen. "Das war einmal unser Zuhause", sagt Waltraud Pletz. Im Garten hat die Familie jene Gegenstände, die die braune Suppe nicht mitgerissen oder zerstört hat, zum Trocknen in die Wiese gelegt. Zwischen verschlammten Erstkommunion-Fotos liegt das aufgeweichte Buch "Das Jahrtausend-Hochwasser". Wetter kommt und geht. Wir Menschen sind dem Wetter unausweichlich ausgeliefert, mit all seinen Unwägbarkeiten, steht im Vorwort.

Die Katastrophe

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Das Wetter kam in der Nacht auf Mittwoch. Binnen eineinhalb Stunden ergossen sich über Amering und Obdach im steirischen Murtal 177 Liter Regen pro Quadratmeter. Teile der Orte wurden überschwemmt, zeitweise war Amering von der Außenwelt abgeschnitten. "So ein Jahrhundert-Unwetter hat es hier noch nicht gegeben", sagt Bürgermeister Peter Bacher. Die Bezirkshauptmannschaft rief Katastrophenalarm aus und schickte 154 Feuerwehrleute. Mittlerweile erhielten diese Unterstützung von 59 Bundesheer-Pionieren.

"Das Wasser schoss bei der Haustüre rein und vom Keller rauf", erinnert sich Waltraud Pletz. Die 51-Jährige und ihr Mann Franz stehen vor den Trümmern ihrer Vergangenheit. Eben erst haben sie viel Geld in den Umbau des Hauses gesteckt und dabei die komplette Wohnzimmer-Einrichtung in den Keller getragen – wo sie jetzt vom Hochwasser zerstört wurde. So wie die Sauna, die Heizung und fast alle technischen Geräte. Die Haushaltsversicherung übernimmt nur 5000 Euro. Persönliche Erinnerungen wie Dokumente, Dias und Familien-Fotoalben, die für immer verloren sind, kann Geld ohnehin nicht ersetzen.

"Wir sind schon extrem an unsere Grenzen gelangt", sagt Waltraud Pletz. "Mein Mann musste den Arzt rufen, weil die psychische Belastung und die körperliche Anstrengung so groß sind." Doch in der Not wächst man auch zusammen. Freunde helfen beim Säubern, schicken Lebensmittel oder kochen Gulasch.

Der Schaden

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Mittlerweile ist in Obdach das Hochwasser zurückgegangen, viele Straßen sind wieder frei, der letzte Schlamm wird aus den Häusern geschaufelt und die meisten Menschen konnten in ihr Zuhause zurückkehren. Jetzt zeigt sich das wahre Ausmaß des Schadens: Entwurzelte Bäume, geknickte Strommasten, weggespülte Wege, geborstene Leitungen. In den Bäumen und Sträuchern entlang des Baches hängen Dachrinnen, Farbtöpfe, Reifen, Rasenmäher und ein Computer. Kabel mit der Aufschrift Achtung Postkabel und Starkstromkabelragen aus dem aufgerissenen Boden.

In der Rudolf Falbgasse hat der aus den Ufern getretene Bach die Doppelgarage und zwei Wirtschaftsräume der 81-jährigen Aurelia Rieger mitgerissen. Schwiegersohn Peter Dorfmaier konnte gerade noch das Auto in Sicherheit bringen. "Normalerweise ist das ein Bach mit 15 Zentimeter Höhe, in dem meine Frau kneippen geht", erzählt er. Doch am Dienstag kam das Wasser zwei Meter hoch daher. "Das war brutal. Es hat einen Kracher geben und alles war weg."

Zwei Häuser entfernt hat der Bach einen roten Audi geschluckt und Hunderte Meter entfernt auf ein Feld gespuckt. Der Schlüssel steckt noch.

Die Angst

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Beim Tirolerwirt auf 1025 Meter Höhe, gibt es an diesem Tag Frittatensuppe und nur ein Thema: Das Unwetter – und ob es hätte verhindert werden können. Seit 1888 ist das Gasthaus im Familienbesitz, seit 33 Jahren steht Maria Zarfl in der Küche und mindestens seit damals fürchtet sich die Wirtin vor der Gefahr vom Himmel.

"Wenn es regnet, lebe ich in ständiger Angst", sagt die 54-Jährige. Im Hintergrund rollt Donner. "Von allen Seiten rinnt dann das Wasser ins Tal. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Wasser da zusammenkommt." Immer wieder kam es nach schweren Regenfällen zu Überschwemmungen; "aber so ein Unwetter gab es noch nie." Aus Dank, dass dennoch nicht mehr passiert ist, hat sie eine Kerze angezündet. Ihr Mann, Manfred Zarfl, fordert seit Jahren ein Auffangbecken; er warnte auch vor dem Bewuchs des Bachbettes und einer drohenden Verklausung, der Verstopfung des Gewässers durch Holz und Treibgut.

Genau das ist jetzt passiert.

Das Schicksal

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Nur einen Steinschlag vom Tirolerhof entfernt zog Maria Kaltenegger in einem kleinen, einfachen Holzhaus ihre drei Kinder groß. Nach einem Herzstillstand vor zwei Jahren wurde ihr ein Herzkatheter eingesetzt. "Seitdem hat mir der Arzt das Rauchen verboten", sagt die 56-Jährige – und zündet sich eine Zigarette an. "Ich bin am Ende. Wir haben nie viel gehabt, aber jetzt wurde uns auch das noch genommen", sagt sie. Der Mann starb vor acht Jahren an Magenkrebs, sie ist ohne Arbeit.

"Drei Meter hoch sind die Wellen angerollt gekommen", erzählt Kaltenegger. Als das Wasser die Türen eindrückte, sprang sie mit ihrer Tochter Elke, 29, aus dem Fenster und rettete sich zur Nachbarin. 1,30 Meter hoch stand das Wasser in Wohnzimmer, Bad und Küche und hat alles ruiniert. Nur der Herd ist noch da – und der ist hin. Nächste Woche soll ein Sachverständiger entscheiden, ob das Holzhaus abgerissen werden muss.

Bis dahin wird Maria Kaltenegger noch viele Zigaretten rauchen.

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