Tiroler Arzt in Dubai wegen Mordes angeklagt
Von Nihad Amara
V ergangenen Sonntag um 11 Uhr saß Eugen A., 53, erstmals vor dem Richter in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Die 276 Seiten dicke Anklage wegen Mordes wurde mit wenigen Sätzen verlesen. "Unschuldig", verantwortete sich der Mediziner - genauso wie ein mitangeklagter Kollege.
Der Prozess wurde vertagt.
Der Spuk ist für Eugen A. damit nicht vorbei. Vor sechs Jahren surfte der Innsbrucker Intensivmediziner im Internet durch Job-Foren - und fand ein Angebot wie aus Tausend und eine Nacht. Er heuerte im "Rashid Hospital" in den VAE an. Ein prächtiger Bau mit hoch qualifiziertem Personal, ausgerüstet mit einer modernen Trauma-Station. Er glaubte, seinen Traumjob gefunden zu haben.
Jetzt muss sich der zweifache Familienvater wegen Mordes verantworten. Ihm droht im schlimmsten Fall die Todesstrafe. "Ich weiß nicht, wie es weiter geht", klagt er am Telefon.
Interner Freispruch
Alles begann mit einem disziplinarrechtlichen Verfahren. Im Februar 2009 bekam er einen schwer verletzten Patienten auf seine Intensivstation. "Der Patient war völlig abhängig von der maschinellen Beatmung", erzählt der leitende Arzt. Rund 36 Stunden nachdem A. das Spital verlassen hatte, starb der Mann. Das Krankenhaus begann mit einer internen Untersuchung. Im Dezember 2010, als A. bereits in einem anderen Spital werkte, sprach ihn eine medizinische Kommission von allen Vorwürfen frei.
Zu diesem Zeitpunkt ermittelte bereits die Justiz auf Hochtouren. "Ich musste im Mai 2010 meinen Pass abgeben." Der Tiroler vermutet, dass sich ein Ex-Kollege mit einer Anzeige rächen wolle. Seitdem sitzt A. fest, kämpft gegen Sprachbarrieren und ein schwer durchschaubares Justizsystem.
Versagen?
Die Anklage wirft ihm erstens medizinisches Versagen vor: Er habe einem Patienten zu viel Morphium verschrieben und den Sauerstoff reduziert. Das habe zum Tod geführt. Zweitens geht es in der Anklage um ein brisantes Thema - um Sterbehilfe, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten illegal ist. A. soll angeordnet haben, im Ernstfall den Patienten nicht zu reanimieren. Die Order dazu nennt sich "DNR " (Do-not-resuscitate).
"Ich habe niemanden sterben lassen und so einen Befehl nie gegeben", beteuert der Mediziner. Mehrere Zeugen würden dies bestätigten. "Die Anklage", erzählt A., "widerspricht intensivmedizinischem Basiswissen."
Obwohl "DNR" verboten ist, wird es in Spitälern in dem Wüstenstaat offenbar praktiziert. Das sagt nicht nur der Tiroler, sondern auch ein befreundeter Österreicher, der ebenfalls als Mediziner in dem Golfstaat arbeitet. "Als ausländischer Arzt habe ich mich strikt an die Regeln gehalten", sagt A.
Der Tiroler, der am Dienstag auch suspendiert wurde, hat seine missliche Lage lange seiner Familie verschwiegen. "Ich wollte sie da raushalten." Das Außenamt beobachtet den Prozess und unterstützt ihn. Das kann Eugen A. auch brauchen. Das Strafausmaß reicht von drei Jahren Haft bis zur Todesstrafe. Eugen A. bleibt trotz alldem zuversichtlich. "Ich vertraue dem Gericht." Sein nächster Prozesstermin: 7. August.
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