Slowenen haben Lust auf Veränderung
Von Irene Thierjung
Als Präsident Türk Ende September die ersten vorgezogenen Parlamentswahlen in Sloweniens Geschichte ankündigte, schien alles klar: Die konservative Demokratische Partei SDS von Oppositionschef und Ex-Premier Jansa würde das Votum gewinnen. Doch jetzt ist alles anders. Gleich zwei neue Parteien haben frischen Wind in die verkrustete Politlandschaft gebracht und dürften am 4. Dezember unter den Top 3 landen.
Die erst Mitte Oktober gegründete Bürgerliste des Ex-Jansa-Gefährten und SDS-Ministers Gregor Virant, könnte Umfragen zufolge sogar Platz eins belegen. Virant ist beliebt, seine Mitte-rechts-Partei, die von namhaften Ökonomen und Politikern unterstützt wird, kam aus dem Stand in Umfragen auf 17,2 Prozent. 26 Prozent der Wähler trauen Virant die Führung des Landes zu. Jansa, dessen SDS derzeit 16,5 Prozent und damit Platz zwei erreichen würde, vertrauen nur 21 Prozent.
Macher
Trotz des Umfragehochs glauben die meisten Beobachter, dass es für Virant schlussendlich "nur" für den dritten Platz reichen wird - und für die Rolle als Königsmacher. Das Rennen um den Sieg dürfte sich Jansa mit der zweiten neuen Polit-Größe liefern, der linken Partei "Positives Slowenien" von Zoran Jankovic. Der frühere Chef von Mercator, der den Konzern in den 1990ern zu einer der führenden Supermarktketten in Südosteuropa machte, hat ebenfalls prominente Anhänger, darunter Ex-Präsident Kucan.
2006 hatte Jankovic aus dem Nichts das Bürgermeisteramt in Ljubljana gewonnen, 2010 übertraf er diesen Erdrutschsieg von 45 Prozent sogar noch (65 %). Viele Slowenen schätzen seinen autoritären Führungsstil, er gilt als Macher, der weiß, wovon er spricht. Die Wähler scheinen sich nicht einmal von seiner Ankündigung abschrecken zu lassen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen und endlich die Staatsfinanzen zu sanieren. Damit unterscheidet sich Jankovic vom derzeitigen Premier Pahor von den Sozialdemokraten (SD), der Nummer vier in den Umfragen. Er gilt als nachgiebig - und er ist an den dringend benötigten Sozial- und Wirtschaftsreformen gescheitert.
Verdrossen
Pahors Mitte-links-Regierung war im September vom Parlament abgewählt worden, nachdem zwei der drei Koalitionspartner das Handtuch geworfen hatten. Hintergrund war die Niederlage bei mehreren Referenden über Reformvorhaben, mit denen die Wirtschaftskrise bewältigt werden sollte. Damals zeigte sich erneut die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Politsystem, das seit der Unabhängigkeit 1991 von Sozialdemokraten und Konservativen beherrscht wird. Die Slowenen werfen den Blöcken vor, nur ihre Macht vergrößern zu wollen und auf das Volk zu vergessen. Die Politikverdrossenheit ist groß, jeder Zehnte will nicht wählen gehen. Der Bürgermeister von Maribor, Kangler, sieht überhaupt nur noch einen Ausweg aus der Misere: Er will die historischen Regionen Stajerska (Untersteiermark) und Prekmurje (Übermurgebiet) von Slowenien abspalten.