Schwere Geburt des Staates Südsudan
Von Romana Klär
Wir werden ein Staat. Wir sind endgültig frei!", freut sich David Alko. Der 32-Jährige hat seine Kindheit in einem Flüchtlingslager in Uganda verbracht. Seine Söhne und Töchter werden, ist er sich gewiss, in ihrem eigenen Land aufwachsen. Seit vier Jahren ist Alko zurück in seiner Heimat, dem Sudan. Genauer gesagt dem Südsudan - jenem christlich, animistisch geprägten Teil des bisher größten Staates Afrikas.
Nach einem halben Jahrhundert voller verheerender Kriege werden am Samstag um Mitternacht Kirchenglocken und Trommelschläge die Geburtsstunde des 196. Staates der Erde ankündigen. Staats- und Regierungschefs - vor allem aus Afrika - sind mit dabei, wenn beim Mausoleum des früheren Rebellenführers John Garang in der neuen Hauptstadt Juba lokale Stämme ihre Tänze zeigen, die Armee eine Parade abhält, die neue Flagge gehisst und die Hymne zum Besten gegeben wird. "Lasst uns in Stille und Respekt unsere Märtyrer grüßen, deren Blut die Grundlage unserer Freiheit zementiert", heißt es darin. Mehr als zwei Millionen Menschen starben.
Anerkennung
Die UNO will den neuen Staat rasch aufnehmen. Auch Österreich hat die Anerkennung zugesagt. Der Freudentaumel, in dem sich die Bevölkerung befindet, ist Ausdruck einer unbändigen Hoffnung, dass aus kaum mehr als rotem Staub und Armut ein völlig neuer Staat entstehen kann.
Erst im Jänner haben sich in einem Referendum 98 Prozent der schwarzafrikanischen Bewohner für die Abspaltung vom arabisch-muslimischen Norden unter der Herrschaft von Präsident Omar al-Bashir ausgesprochen. Nach langem Hin und Her wird auch er am 9. Juli als Ehrengast in Juba erwartet.
Obwohl al-Bashir bekräftigt hat, die Loslösung des Südens anzuerkennen, fürchten noch immer viele, dass der Machthaber irgendwann doch wieder zum Angriff bläst. Khartum wird durch die Unabhängigkeit des Südens, wo die Ölfelder sind, zwei Drittel der Förderung von täglich 500.000 Barrel verlieren. Die Aufteilung der Öl-Einnahmen ist immer noch strittig. Zudem liegen Pipelines und Raffinerien sowie der Erdölhafen Port Sudan im Norden oder werden von nordsudanesischen Unternehmen betrieben. So hat al-Bashir erst kürzlich damit gedroht, die Pipelines dichtzumachen, sollte keine für ihn genehme Lösung gefunden werden. Wichtiger Abnehmer des Rohstoffes ist China. Offen ist auch der exakte Grenzverlauf zwischen Nord und Süd. Vor allem nahe der ölreichen Grenzregion Abyei, wo zuletzt heftige Kämpfe tobten. "Hütten qualmten noch während meines Besuchs, Plünderer streiften durch die Ruinen - in Gegenwart der sudanesischen Truppen. Alle Zivilisten sind geflohen", berichtete jüngst die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Kyung-wha Kang. Die UNO schickt 4200 äthiopische Blauhelme in die Region. Das soll den Druck mindern.
Sozialer Sprengstoff
Auch wenn derzeit keine unmittelbare Kriegsgefahr droht, steht der Südsudan vor enormen Herausforderungen. Es gibt kaum Infrastruktur. In der Hauptstadt Juba, wo dieser Tage Unterkünfte für 2000 USD pro Nacht gehandelt werden, sind wenige Straßen asphaltiert. Wellblechdächer und provisorische Bauten prägen das Stadtbild. Vor allem die unternehmungsfreudigen "Gastarbeiter" aus den Nachbarstaaten verdienen dort ihr schnelles Geld. Sie werden gebraucht. Die Einheimischen können den Aufbau nicht alleine bewältigen. Fast 70 Prozent sind Analphabeten - bei den Frauen können gerade einmal 16 Prozent lesen. Die Müttersterblichkeit zählt zu den höchsten weltweit.
Clan-Kämpfe häufen sich. Oft geht es dabei um Viehdiebstahl. Die Tiere sichern das Überleben der Nomaden und sind ihr ganzer Stolz. Eines der gravierendsten Probleme aber ist, dass zwei Generationen noch nie in Frieden gelebt haben und Gewalt oft als einzige Lösung bei Problemen sehen. Verrohte Soldaten kapern Lkw und nehmen den Leuten, die sie entwaffnen sollen, das Essen weg. Entwicklungshilfeorganisationen setzen in ihren Programmen oft darauf, den Menschen ein Grundverständnis über Demokratie, Bürger- und Menschenrechte zu vermitteln.