Schaurige Therapien
Von Martina Salomon
Was ist bloß mit der Psychiatrie los? Das Mittelalter reichte hier offenbar bis tief ins zwanzigste Jahrhundert hinein. Nun sind Fälle publik geworden, wonach Kinder, die als schwer erziehbar galten, in den Sechzigerjahren in Wien einer „Malaria-Therapie“ unterzogen wurden. Das wurde einst als Behandlung gegen Syphilis eingesetzt, in Einzelfällen half sie angeblich auch gegen psychische Krankheit. Doch in den Sechzigern war das längst überholt. Ende der Fünfzigerjahre wurden Antidepressiva entwickelt und ab 1975 Ethikkommissionen installiert. Ein Riesenfortschritt.
Aber schützt uns das heute vor Behandlungsfehlern, auf die wir in fünfzig Jahren vielleicht wieder mit Schaudern zurückblicken werden? Gibt es nicht auch jetzt noch fragwürdige Therapien? Werden nicht zu viele Pillen verschrieben und zu viele Menschen wegen psychischer Probleme in Frühpension geschickt, weil für therapeutische Gespräche Zeit und Geld fehlen? Es gibt einen Mangel an Kassenstellen, insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In Wien muss man dafür Wartezeiten bis zu einem Dreivierteljahr in Kauf nehmen. Psychiatrische Patienten sind besonders schutzbedürftig, eine ethische Kontrolle ist hier wichtiger als anderswo. Seelische Gesundheit darf kein Stiefkind der Politik sein.