Politik

Realitätsverlust

Es hat etwas von den Mantras, mit denen sich sonst tibetische Mönche in höhere Sphären verabschieden, was Europas Entscheidungsträger derzeit unverdrossen zur Krise von sich geben. Nein, wird da beteuert, Griechenland werde nicht aus dem Euro austreten. Nein, die Krise werde nicht auf Länder wie Spanien übergreifen, und ja, der Rettungsschirm sei groß genug. Und das alles, während Griechenlands Rückkehr zur Drachme sich auf den Titelseiten breitmacht und Spaniens Zinslast täglich erdrückender wird.

Nach vier Jahren, in denen die Politik der EU-Staaten der Krise immer nur atemlos hinterhergehetzt ist, wäre es Zeit, die Realitäten, so schmerzlich sie sein mögen, zu akzeptieren. Ein Euro-Austritt Griechenlands würde dem Land langfristig mehr Chancen eröffnen als das Wachkoma, in dem man das Land mit Geldspritzen hält.

Wenn man sich endlich entschlossen hat, mutig zu handeln, wäre es auch gleich an der Zeit, sich von altbackenen politischen Überzeugungen zu verabschieden. Die "Sparefroh"-Mentalität der Konservativen wird Europas Süden ebenso wenig bringen, wie die Gier vieler biederer Sozialdemokraten, endlich wieder auf Schulden Eisenbahnen und Schnellstraßen zu bauen – von denen haben Spanien und Portugal schon mehr als genug.