Politik

Psychoterror im Namen Gottes

iese Demonstrationen vor Frauenarztpraxen und Kliniken sind hinlänglich bekannt: Betende Frauen und vor sich hinmurmelnde Männer, mit Embryopupperln und Transparenten gegen legalen Schwangerschaftsabbruch bewaffnet.

Patientinnen sollen so überzeugt werden, keinen falschen Weg einzuschlagen. Was auf Frauen mitunter ziemlich insistierend wirkt, wird beim Verein HLI (Human Life International) und seinem österreichischen Ableger "Christliche Allianz" sowie dem "Lebenszentrum Graz" als Beratungsgespräch bezeichnet.

Ein Grazer Gynäkologe hat sich das nicht gefallen lassen. Dr. Johannes Hanfstingl erstattete Strafanzeige. "Als die sogenannten Lebensschützer eine Wohnung über meiner Praxis gekauft haben, ist mir mulmig geworden." Auch Patientinnen hätten sich von den Demonstranten belästigt gefühlt.

Präzedenzfall

Im April fällte der Grazer Strafrichter Erik Nauta ein bemerkenswertes Urteil. Der 59-jährige Geschäftsführer der HLI, ein 41-jähriger Theologiestudent, und zwei weibliche Lebensschützerinnen, 31 und 41 Jahre alt, wurden wegen Stalkings verurteilt.

Sollte dieses Urteil im Instanzenzug halten, ist es ein Präzedenzfall: Unter beharrlicher Verfolgung in Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen lief bisher nichts. Zwangsmaßnahmen nach dem Sicherheitspolizeigesetz, wie Betretungsverbot und Wegweisung, sind in Wien, nicht aber in Graz möglich.

Geldstrafen wurden gegen das Quartett verhängt: 450 bis 7200 Euro. Der Richter wird im Gloria-TV, einem ultrakonservativen Sprachrohr, angegriffen. An seiner Urteilskraft wird gezweifelt.

"Der Fall ist nun beim Oberlandesgericht anhängig. Ich bin überzeugt davon, dass das Urteil inhaltlich bestätigt wird", sagt Erik Nauta. Auch Gerichtsvizepräsident Helmut Krischan blickt unaufgeregt auf die Stimmungsmache gegen Nauta. "Das ist Teil unseres Berufes. Wir sind kein Kaufhaus und haben kaum zufriedene Kunden. Es gibt auch Personen, die durch Ideologien eine Ausrichtung haben. Da kommt der Richter immer in ein Getriebe."

Der Grazer Frauenarzt wird nun in Ruhe gelassen. Der Tatzeitraum erstreckte sich von 2009 auf 2010. "Meine Lebensqualität war sicher beeinträchtigt - und die meiner Patientinnen auch."

"Notbremse"

Schwangerschaftsabbrüche seien definitiv eine Notbremse. "Keine Frau macht das gerne." Unschlüssige Patientinnen schicke er an das soziale Beratungszentrum SBZ, sagt Hanfstingl. Im Übrigen werde er älter, seine Patientinnen auch. "Zwei Drittel der Frauen, die zu mir in die Ordination kommen, sind nicht mehr im gebärfähigen Alter."

Die Gegner bezeichnen Hanfstingl als "Abtreiber". Der Arzt kanzelt sie als "scheinheilige ultrakatholische Organisation" ab. Vertreten wird die verurteilte Gruppe von Ewald Stadler, auch Abgeordneter des BZÖ. Ein Termin für den Berufungsprozess beim OLG steht noch nicht fest.