Politik

Neue Mieter in Hitlers Geburtshaus

Es ist ein zweistöckiges Haus wie viele andere, die in österreichischen Kleinstädten stehen. Doch dieses hat eine Geschichte, deren Tragweite erschauern lässt. Hier wurde Adolf Hitler geboren. Seit Jahrzehnten denkt man darüber nach, wie das Gebäude genützt werden könnte, ohne zur Pilgerstätte von Neonazis und Ewiggestrigen zu verkommen. In diesen Tagen ändert sich die Situation schlagartig. Denn jetzt verlässt der letzte Mieter das Haus in Braunau am Inn, das damit eine neue Funktion erhalten wird.

Was dieses Haus nicht schon alles gewesen ist - wohl auch, weil man nie recht wusste, was man mit ihm anfangen soll: Nach dem Krieg wollte man es abreißen, kam dann davon ab und verwendete es als Stadtbücherei, als Bankfiliale,als Schule.

Die Zukunft

Zuletzt wurden die Räume als Wohn- und Werkstätte für behinderte Menschen genützt. Da Ende September jedoch die letzten Bewohner der Organisation "Lebenshilfe" in ein neues, behindertengerechtes Gebäude ziehen, stellt sich mehr denn je die Frage: Was wird aus Hitlers Geburtshaus?

Den Innsbrucker Politologen Andreas Maislinger beschäftigt das Thema seit vielen Jahren. "Nur kein Museum", meint er, "sonst würde man das Haus weltweit als Hitler-Museum bezeichnen. Hier soll eine würdevolle Gedenkstätte entstehen, die nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft weist". Maislinger hat einen prominenten Verbündeten gefunden, der am 24. September nach Braunau kommt und seinen Plan unterstützen will. Er heißt Branko Lustig, ist einer der erfolgreichsten Filmschaffenden in Hollywood, zweifacher Oscar-Preisträger und gemeinsam mit Steven Spielberg Produzent des Jahrhundert-Films "Schindlers Liste".

"Ich werde Hitlers Geburtshaus besuchen", erklärte Branko Lustig, als ich ihn dieser Tage in Zagreb erreichte. "Es ist wichtig, dass ein Überlebender des Holocaust hier herkommt und sagt: Ich bin immer noch da und damit allen Neonazis zu verstehen gibt, dass dort kein Platz für sie ist, dass sie keine Zukunft haben." Der Produzent möchte sich dafür einsetzen, "dass in diesem Gebäude ein vernünftiges, auch international herzeigbares Projekt entsteht".

Treffpunkt

Und so soll es aussehen: "Wir wollen ein ,Haus der Verantwortung' schaffen", sagt Andreas Maislinger. "Es wird in drei Bereiche gegliedert sein. Im Erdgeschoß ist die Geschichte von Braunau dokumentiert und die Geschichte dieses Hauses - zu der natürlich Hitler gehört, da kommen wir nicht drum herum. Der erste Stock gehört der Gegenwart, das soll ein Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt sein, die wir einladen, sich an Projekten der Verständigung und des Friedens zu beteiligen. Im zweiten Stock geht's um die Zukunft, hier sollen Wissenschaftler aus allen Bereichen mit Schülern und Studenten darüber nachdenken, was wir tun können, damit diese Welt für künftige Generationen lebenswert bleibt." Maislinger ist sich im Klaren darüber, "dass das Gebäude immer Hitlers Geburtshaus bleiben wird, daher wird man sich hier auch immer mit den Schrecken der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen müssen".

20. April

Adolf Hitler wurde in dem Eckhaus in der "Salzburger Vorstadt Nr. 15" am 20. April 1889 in einer kleinen Mietwohnung im ersten Stock geboren, in der er auch seine ersten drei Lebensjahre verbrachte. Er selbst sah es "als glückliche Bestimmung, dass das Schicksal mir Braunau zum Geburtsort zuwies, der an der Grenze zweier deutscher Staaten liegt".
Im Jahre 1912, als Hitler als gescheiterter Kunstmaler bereits in einem Wiener Armen-Asyl lebte, wurde das Haus in Braunau von der Familie Pommer gekauft, in deren Besitz es auch heute ist. Nach dem "Anschluss" Österreichs erwarb der NS-Reichsminister Martin Bormann das "Geburtshaus des Führers", das gleichzeitig zum "Kulturzentrum" erklärt wurde. Als im Mai 1945 ein deutscher Stoßtrupp das symbolträchtige Gebäude in die Luft sprengen wollte, konnte das von US-Soldaten verhindert und das Haus an die frühere Besitzerfamilie rückerstattet werden.

Hannes Waidbacher, der Bürgermeister von Braunau, "befürwortet die Vorschläge von Dr. Maislinger. Es muss nur klar sein, dass unter dem Titel ,Haus der Verantwortung' nicht gemeint ist, dass die heutigen Generationen die Verantwortung für die Schrecken der Vergangenheit übernehmen."

Kauf

Das VP-Stadtoberhaupt schlägt vor, "dass die Republik Österreich das Gebäude kauft und in etwa drei Jahren öffentlich zugänglich macht". Waidbacher freut sich, dass Branko Lustig nach Braunau kommt und ist "für jede Hilfe von außen dankbar".
Der mit seinen 79 Jahren überaus aktive Hollywood-Produzent will nach seinem Braunau-Besuch in den USA "für eine gute Lösung werben", zumal in der Gedenkstätte auch die Befreiung durch die Amerikaner gewürdigt werden soll. "Man kann Braunau nicht dafür verantwortlich machen, dass Hitler hier geboren wurde", sagt Lustig. "Wir, die noch leben, müssen etwas unternehmen, nach uns wird es für so ein Projekt zu spät sein."

Ob die Geschichte des "Hitler-Hauses" Thema für einen Film sein könnte?
"Mit einem guten Script", meint er, "kann man auch aus der Geschichte eines Hauses einen Film machen".

Branko Lustig fuhr 1992 zu den Dreharbeiten von "Schindlers Liste" ins KZ Auschwitz, in dem er als Kind interniert war. "Ich habe die Dreharbeiten recht gut verkraftet", erzählt er, "aber in der Szene, in der gezeigt wird, wie die Kinder zum Krematorium gebracht werden und die Mütter ihnen hinterherlaufen, bin ich zusammengebrochen."

Braunau: Ein Haus und seine Geschichte

Hitlers Geburtshaus Das aus zwei Gebäuden zusammengefasste Haus stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es beherbergte einen Gasthof und Mietwohnungen. Im ersten Stock lebte gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Zollbeamte Alois Hitler mit seiner dritten Frau Klara. Diese brachte hier am 20. April 1889 Adolf Hitler als viertes von sechs Kindern zur Welt.

Die Eigentümer Das Haus gehörte in dieser Zeit der Gastwirte-Familie Dafner, ab 1912 der Familie Pommer, in deren Besitz es auch heute ist. Hitler verbrachte in dem Haus seine ersten drei Lebensjahre.

Mahnstein Auf dem Gehsteig vor dem Haus wurde 1989 ein Mahnstein gegen Krieg
und Faschismus errichtet.

Zwei Oscars: Film-Tycoon in Braunau

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Branko Lustig Geboren 1932 in Osijek/Kroatien.
In der NS-Zeit als jüdisches Kind in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen interniert. Nach dem Krieg Film-Produktionsleiter in Zagreb, wanderte Lustig
1988 in die USA aus, wo er als Filmproduzent tätig ist.

Zwei Oscars 1994 Oscar als Produzent des Films "Schindlers Liste", in dem er auch eine kleine Rolle (als Nachtclubbesitzer) spielte. Einen weiteren Oscar erhielt Lustig 2001 für den Monumentalfilm "Gladiator". Er lebt in Los Angeles und Zagreb.

Braunau Branko Lustig nimmt ab 24. September an den
20. Braunauer Zeitgeschichte- Tagen teil, die unter dem Motto "Schwieriges Erbe" stehen.