Politik

Nach US-Amoklauf: "Toleranzgrenze ist erreicht"

Wie konnte das nur passieren? Nach der versehentlichen Verbrennung von Koran-Ausgaben durch US-Soldaten setzt den internationalen Truppen in Afghanistan ein neuer Vorfall schwer zu: Der Amoklauf eines US-Soldaten in der Provinz Kandahar. In einem Dorf erschoss der Feldwebel 16 Zivilisten. Der 38-Jährige drang in ihre Häuser ein, tötete Kinder, Frauen und Männer im Schlaf. Die US-Armee spricht von der Wahnsinnstat eines geistig kranken Menschen.

„Es ist furchtbar. Grauenhaft. Ich kann mir die Trauer der Familien nicht einmal vorstellen“, zeigte sich US-Außenministerin Hillary Clinton schockiert. Der Mann werde zur Verantwortung gezogen. Und Clinton beteuerte: „So sind wir nicht.“

Aber der Fall hat längst weitreichende Konsequenzen und könnte nach den Worten der Regierung in Kabul das amerikanisch-afghanische Abkommen über eine strategische Partnerschaft verzögern. Es soll die Präsenz der US-Truppen nach dem geplanten Abzug der ISAF 2014 regeln.

"Toleranzgrenze erreicht"

„Die Toleranzgrenze des afghanischen Volkes“ sei erreicht, heißt es in einer Erklärung des Parlaments. Die Täter sollten ehest möglich von einem öffentlichen Gericht in Afghanistan bestraft werden. Die Täter? Offiziell ist von einem Amokläufer die Rede. Ein Vater zweier Kinder, der auf seinem ersten Einsatz in Afghanistan ist, zuvor aber drei Mal im Irak stationiert war. Dorfbewohner sprachen aber von mehreren Angreifern. Fraglich ist auch, wie es ein einzelner Soldat schaffen konnte, in der Nacht eine mit Bewegungsmeldern, Sandmauern und Maschinengewehrnestern gesicherte Basis zu verlassen und 1,6 Kilometer ins nächste Dorf zu laufen. Den ausländischen Soldaten in Afghanistan ist es aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt, alleine die Stützpunkte zu verlassen. Wer die Basis verlässt, darf das nur in Gruppen und mit einem ausdrücklichen Befehl.

Taliban schwören Rache

Befürchtet wird jetzt, dass sich die ohnehin schlechte Stimmungslage gegenüber den ausländischen Truppen weiter aufheizt. Die Taliban schworen am Montag bereits Rache. Auch der Umstand, dass der Täter geistig krank sei, sei keine Entschuldigung, sondern nur eine Bestätigung dafür, dass die Amerikaner in Afghanistan Verrückte bewaffnen würden. Vor ISAF-Basen gab es erste Proteste wütender Menschen.

In dieser Situation stattete Deutschlands Kanzlerin Merkel den Truppen in Afghanistan einen Überraschungsbesuch ab. In einem Telefonat sprach sie Präsident Karzai ihr Beileid aus. Und sie bekräftigte den Termin für den Abzug der Bundeswehr 2014. Auch die USA wollen an ihren Plänen festhalten und bis Ende 2014 ihre Truppen abziehen, wie Regierungssprecher Jay Carney am Montag sagte.

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