Le Pen: "Ich wünsche Zusammenbruch der EU"
Von Danny Leder
Vor 17 Monaten erbte Marine Le Pen, 43, den Vorsitz über den rechten Front National von ihrem Vater Jean-Marie. Bei der Präsidentenwahl kam sie auf fast 18 Prozent. Jetzt kandidiert sie im Wahlkreis Hénin in Nordfrankreich für ein Parlamentsmandat.
KURIER: Sie unterhalten in Österreich Beziehungen zu Heinz-Christian Strache. Sind diese unverändert gut?
Marine Le Pen: Natürlich. Wir werden uns bald wieder treffen. Wir haben exzellente Beziehungen mit der FPÖ.
Sie waren auf Einladung von Strache beim Ball der rechts-rechten Burschenschaften. Bereuen Sie das?
Ich sehe, dass in Österreich dieselbe Verteufelung wie hier im Gange ist. Aus dieser Verbindung kam doch ein Attentäter gegen Hitler.
Das sind großdeutsche Verbindungen …
Das ist Desinformation. Trotzkisten und Stalinisten bezeichnen seit Jahrzehnten alle als Nazis, die mit ihnen nicht einverstanden sind. Ich bin auf Einladung von Monsieur Strache zum Ball gegangen und würde es wieder tun.
Sie haben hier in Hénin Ihr Gemeinderatsmandat zurückgelegt, weil Sie Ihr Mandat als EU-Abgeordnete für wichtiger hielten. Aber im EU-Parlament zählen Sie zu den sogenannten ,faulen Schülern", also jenen Abgeordneten, die kaum anwesend sind.
Ja, ja. In der Schule sind die besten Schüler auch nicht diejenigen, die immer anwesend sind und dabei neben der Heizung schlafen. Ich habe viel mehr als andere in diesem Rahmen gegen die EU geleistet (lacht). Ich bin eine überzeugtere EU-Phobikerin als sonst wer.
Habe ich Sie jetzt falsch verstanden? Sie nehmen am EU-Parlament teil, um die EU aufzulösen?
Ja, ganz richtig. Ich wünsche den Zusammenbruch der Europäischen Union, um das Europa der Nationen zu ermöglichen.
Aber so explizit ist die Haltung Ihres Partners Strache nicht. Ich habe noch nicht gehört, dass er den Zusammenbruch der EU möchte.
Aber Monsieur! Strache will doch die Union ändern. Er will wieder zu einem Europa der Nationen zurückkehren – oder nicht? Dann muss man sich die Frage stellen, ob das System reformierbar ist. Kann man ein Europa, das grundlegend auf einen Bundesstaat hinausläuft, in ein Europa der Vaterländer umwandeln? Das glaube ich nicht. Die Sowjetunion war ja auch nicht reformierbar. Also glaube ich, dass das System zusammenbrechen muss, bevor ein neues entstehen kann. Mit dem Euro wird auch die EU zusammenbrechen.
Sie wollen zurückehren zur Situation Europas, wie sie vor der EWG bestand, vor allen europäischen Institutionen?
Ich will zu einem Europa der Vaterländer zurückkehren, in dem es Kooperationen zwischen den Nationen gibt. So wie bei Airbus (dem Flugzeugkonsortium) oder Ariane (dem Weltraumprogramm). Ein Europa der Zusammenarbeit, dem die Völker frei und demokratisch zustimmen, was derzeit nicht der Fall ist.
Nehmen wir den Umweltschutz: Da sieht man, dass die Probleme an den Grenzen nicht Halt machen. Wie wollen Sie da wirksam werden, wenn Sie die EU sabotieren?
Ganz einfach. Im Rahmen von zwischenstaatlichen Organisationen. Aber der Hauptfeind des Umweltschutzes ist das globalisierte, ultraliberale Freihandelssystem. Echte Ökologie besteht darin, vor Ort zu produzieren und wiederzuverwerten. Ökologie kann nicht heißen, dass man seine Schuhe 20.000 Kilometer weit weg herstellen lässt und die Müll-Entsorgung den ärmsten Ländern Afrikas aufbürdet.
Nehmen wir die Beispiele Frankreich und Österreich. In Österreich gab es härtere ökologische Auflagen. Da wir jetzt in einer Union sind, gelten einige auch für Frankreich. Sie sagen …
Ja, das ist sehr gut, Monsieur, aber …
… Sie sagen, der Freihandel sei eine Katastrophe, aber es gibt Bemühungen, um …
So lange uns die USA und China zum Teufel schicken, bleiben unsere Bemühungen lächerlich. Ich will daher einen intelligenten Schutz an den Grenzen. Wenn wir morgen China sagen, je stärker ihr bei euch Sozial- und Umweltschutz erhöht, desto stärker senken wir unsere Einfuhrzölle, das würde sie (China) in die Höhe ziehen. Derzeit geschieht das Gegenteil …
Aber glauben Sie, dass man in China als kleiner Nationalstaat auf mehr Widerhall stößt als im Rahmen der EU?
Frankreichs ehemaliger Präsident Giscard d’Estaing hat einmal einem Gesprächspartner gesagt: Stellen Sie sich vor, im Weltmaßstab sind wir ein ganz kleines Land, ein Prozent der Weltbevölkerung. Der andere hat geantwortet: In Australien gibt es 20 Millionen Einwohner und 20 Milliarden Hasen. Und trotzdem regieren nicht die Hasen.
Eine Reportage über den Wahlkampf Marine Le Pens lesen Sie hier.
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