Politik

Laut-Sprecher gegen Kopf-Hörerin

Die SPD hatte bisher nur eine Chance bei Bundestagswahlen, wenn sie einen Kandidaten der Mitte aufstellte: Einen, der dort mehr Wechselwähler ansprechen konnte als am linken Rand des politischen Spektrums. Das funktionierte von Willy Brandt über Helmut Schmidt bis Gerhard Schröder.

Für die Wahl in 51 Wochen gilt das noch mehr: Steinbrücks Gegner ist Angela Merkel, die ihre Union weiter nach links verschoben hat, als es die SPD in den besten Zeiten Schröders war. Zu ihr muss Steinbrück ein Gegenmodell darstellen, zumindest rhetorisch. Also der sein, der Gefahren und Kosten der Staatsschulden-Krise benennt, statt sie im Vagen zu lassen wie die Kanzlerin. Er muss über die Inflation sprechen, die die Mittelklasse so bedroht wie die kleinen Leute. Das ist zwar nur Optik, aber nur sie kann ihm jene Kompetenz verleihen, die bisher Merkels Stärke ist. Sachlich trennt beide nur wenig, so wie einst in der Großen Koalition. Signal Das Einzige, das Steinbrück stark unterscheiden könnte von Merkel, ist noch riskanter als das Angstmachen: ein Umverteilungswahlkampf mit dem ewigen Thema Gerechtigkeit. Doch da haben die Wechselwähler der Mittelklasse gelernt, dass das bald auch auf ihre Kosten gehen kann. Daher hat Steinbrück signalisiert, dass ein scharfer Lagerwahlkampf von ihm nicht zu erwarten ist: Seine klare Absage an eine Koalition oder die von SPD-Linken angedachte Minderheitsregierung mithilfe der "Linken" oder Piraten ist ein Zeichen dafür. Zugleich schließt er eine neue Große Koalition aus – nach dem erwarteten Dahinscheiden der FDP Merkels einzige echte Option.

Damit startet jetzt ein Wahlkampf weniger der Inhalte als der Stile: Laut-Sprecher Steinbrück gegen Kopf-Hörerin Merkel, die weniger darauf hört, was ihr das Gefühl, als was der Kopf sagt. Auch das kann noch spannend werden.