Politik

Job und Familie: Väter im Gespräch

Ein Papa-Monat oder drei Papa-Monate? Verpflichtend oder freiwillig? Darüber wurde zuletzt heftig diskutiert. Der KURIER bat den zweifachen Vater und ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch zum Doppelinterview mit Ex-SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger, Vater von drei Kindern, der erst vor Kurzem aus der Karenz zurückgekehrt ist: Zwei Männer über den Papa-Monat, Rabenväter – und Softies.

KURIER: Herr Rauch, ÖAAB-Chefin Mikl-Leitner ist für drei Papa-Monate. Wirtschaftsminister Mitterlehner meint, selbst bei einem Papa-Monat müsste man darauf achten, ob dieser für die Wirtschaft verkraftbar wäre. Was ist die ÖVP-Linie?
Hannes Rauch:
Die ÖVP steht für Wahlfreiheit. Wir wollen keine Zwangsbeglückung durch den Staat. Ein oder drei Monate ist erst der nächste Schritt, den wir diskutieren müssen. Reinhold Mitterlehner wird mit den Sozialpartnern einen Vorschlag erarbeiten.

Herr Buchinger, wie stehen Sie zum Papa-Monat?
Erwin Buchinger:
Als ich noch Sozialminister war, habe ich auch eine Initiative für einen Papa-Monat gestartet. Damals hat der Koalitionspartner (ÖVP) noch sehr verhalten reagiert. Ich freue mich, dass es inzwischen breiten Konsens gibt. Ich glaube, dass der Papa-Monat aus drei Gründen sinnvoll ist: Die erste Zeit nach der Geburt ist eine wichtige Phase für die Beziehungsbildung. Der Papa-Monat gibt die Möglichkeit, Väter in die Karenz einzubinden und Familienarbeit fairer aufzuteilen. Und die Gesellschaft profitiert, wenn die Lasten nicht ein Geschlecht zu tragen hat.

Herr Rauch, die Frauenministerin will keinen zwingenden Papa-Monat, aber es soll einen Rechtsanspruch geben. Ist das der ÖVP zu viel?
Rauch:
Die Rahmenbedingungen muss man in den Verhandlungen klären. Alles, was Familie und Beruf vereinbarer macht, ist mir willkommen, aber ich will selber entscheiden, ob ich den Papa-Monat in Anspruch nehme oder nicht. Wichtig ist, dass die Kinderbetreuungsplätze ausgebaut werden, damit die Menschen selber entscheiden können. Das tut die Regierung auch. 2008/2009 wurden knapp 18.000 neue Plätze geschaffen, bis 2014 sollen weitere 20.000 entstehen.

Herr Buchinger, Papa-Monat verpflichtend oder freiwillig?
Buchinger:
Ich halte eine Verpflichtung der Väter nicht für sehr vernünftig. Es muss aber einen Rechtsanspruch und finanzielle Abgeltung geben.

Hätte es die Möglichkeit des Papa-Monats schon gegeben, hätten Sie ihn in Anspruch genommen, als Ihr zweiter Sohn geboren wurde?
Buchinger:
Ja, ich habe das auch fast geschafft. Ich habe drei Wochen frei gehabt.

Herr Rauch, wäre der Papa-Monat für Sie infrage gekommen?
Rauch:
Ich glaube, ich hätte es nicht gemacht.

Warum?
Rauch:
Als die ältere Tochter zwischen drei Monaten und einem Jahr alt war, hätte ich mir eher gewünscht, einmal einen Monat zu Hause zu sein – oder als die zweite Tochter gekommen ist, um meine Frau zu entlasten.

Warum waren Sie nicht in Karenz?
Rauch:
Als meine Frau schwanger war, bin ich nach Wien ins Innenministerium gegangen. Wir hätten aber nicht anders entschieden, wenn wir in Tirol geblieben wären.

Jetzt ist Ihre Familie in Tirol, Sie arbeiten in Wien. Fühlen Sie sich manchmal als Rabenvater?
Rauch:
Eigentlich ja. Bei Anlässen wie Musik-Aufführungen oder Abschluss-Skirennen kriege ich schon Anrufe: „Papa, es waren alle da, aber du nicht.“ Ich versuche dann halt unter der Woche manchmal Termine in Tirol oder Salzburg zu machen, um etwa beim Chorsingen dabei zu sein. Und ich bin leidenschaftlicher Elternsprechtaggeher, weil ich da positives Feedback bekomme (lacht). Meinen Beruf kann ich nur deshalb ausüben, weil meine Partnerin das mitträgt.
Buchinger: Spitzenpolitik und Familie ist aus meiner Sicht nicht zu vereinbaren. Wer das schafft, den kann ich nur bewundern. Bei 70 bis 80 Stunden Arbeit noch die Kraft zu haben, sich auf Kinder zu konzentrieren, ist eine Herausforderung.
Rauch: Ich schaffe es auch nicht, ich bemühe mich nur.

Hätte Ihre Frau gesagt: „Ich will, dass du in Karenz gehst“. Hätten Sie es dann gemacht?
Rauch:
Meine Frau und ich diskutieren Dinge aus und entscheiden dann. Klar ist: Väterkarenz „Ja“ oder „Nein“ ist eine Entscheidung, die vom Staat nicht zwangsverordnet werden darf.

Herr Buchinger, Sie waren jetzt in Karenz, bei Ihren beiden älteren Kindern nicht. Was war besser?
Buchinger:
Bei meinen älteren Kindern wäre es gesetzlich nicht möglich gewesen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich in Karenz gegangen wäre, wenn es möglich gewesen wäre. Ich war damals ziemlich karriereorientiert. Jetzt habe ich meine Verantwortung gesehen, als jemand, der in der Öffentlichkeit gestanden ist, Werbung für die Väterkarenz zu machen. Hauptmotivation war aber, eine innige Beziehung zu meinem Sohn aufzubauen.

Herr Rauch, haben Sie keine Angst, dass Ihnen die Kinder irgendwann vorwerfen: Papa, du hast alles dem Beruf untergeordnet?
Rauch:
Ich hoffe nicht, dass es so kommt. Wenn wir zur Entscheidung kommen sollten, dass es nicht so bleiben soll, wie es derzeit ist, dann würde ich auf die Familie schauen.

Würden Sie bei einem dritten Kind in Karenz gehen?
Rauch:
In der derzeitigen beruflichen Situation wäre es kein Thema.

Wäre es für Sie ein Image-Problem, in Karenz zu gehen?
Rauch:
Als Generalsekretär bin ich der Wadlbeißer oder der Dobermann. In Karenz wäre ich halt der Softie, aber das wäre mir egal.Herr Buchinger, wurden Sie als Softie abgestempelt? Oder haben Sie berufliche Nachteile erlebt?
Buchinger: Nein, es hat viel Zuspruch gegeben. Kritik gab es nur in die Richtung, dass sich das ein kleiner Facharbeiter nicht erlauben könnte, weil er dann wahrscheinlich aus der Firma fliegen würde – was vermutlich ein Teil der Wahrheit ist.

Sie waren fünf Monate in Karenz. Die meisten Frauen bleiben länger. Würden Sie Frauen raten, nicht so lange daheim zu bleiben?
Buchinger:
Ich finde es optimal, je sechs Monate Karenz zu nehmen und nach einem Jahr das Kind in den Kindergarten zu geben. Zwölf Monate reichen, damit das Kind emotionale Stabilität entwickeln kann. Wir sehen das bei unserem Sohn. Außerdem kann es schwierig sein, den Anschluss zu finden, wenn man länger vom Beruf weg ist. Aber es gibt Väter und Mütter mit anderen Perspektiven, die sollen diese Möglichkeit auch haben.
Rauch: Meine Frau war viereinhalb Jahre zu Hause. Sie hatte keinen beruflichen Nachteil. Sie ist Lehrerin. Ich kenne viele, die ein paar Jahre zu Hause waren, bei denen der Wiedereinstieg gut funktioniert hat. Aber wenn man in einem schnelllebigen Beruf ist, ist es verständlich, dass Eltern zum Beispiel je sechs Monate daheim bleiben.

Sind Eltern, die ein einjähriges Kind in einen Kindergarten geben, Rabeneltern?
Rauch:
Nein, das soll jeder für sich selbst entscheiden.

Zur Person

Erwin Buchinger (56) ist gebürtiger Oberösterreicher. Er hat zwei Kinder aus erster Ehe (Marco, 30; Nina, 26). Aus seiner zweiten Ehe stammt Sohn Benjamin (15 Monate).
Nach dem Jus-Studium war Buchinger beim Landesarbeitsamt Oberösterreich tätig, später war er AMS-Chef in Salzburg. 2004 wurde er Soziallandesrat in Salzburg. Von 2007 bis 2008 war er Sozialminister. Jetzt ist er Behinderten-Anwalt.

Hannes Rauch (40) ist verheiratet, hat zwei Töchter (8 und 5 Jahre). Die Familie lebt in Kufstein, Rauch ist derzeit großteils in Wien.
Der Politologe war Pressesprecher der Tiroler VP, von 2002 bis 2006 war er Pressesprecher des Innenministers; danach kurzfristig ÖVP-Kommunikationschef und Vize-Sektionschef. Von 2007 bis 2011 war Rauch Tiroler VP-Geschäftsführer, nun ist er ÖVP-Generalsekretär.