Politik

Joachim Gauck: Ein Pastor von Welt

Joachim Gauck hat zwei Jahre Verspätung. Bereits 2010 hatte der damalige Kandidat von rot-grün breite Unterstützung durch Bevölkerung und Medien erhalten, die schwarz-gelbe Koalition hatte letztlich doch Christian Wulff, in geschichtsträchtigen drei Wahlgängen, als Präsidenten ins Amt gehievt.

Jetzt, im Februar 2012, konnte selbst Krisen-Kanzlerin Angela Merkel sich nicht mehr gegen Gauck als gemeinsamen Präsidentschafts-Kandidaten verwehren. Joachim Gauck wird der elfte Bundespräsident der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Vom Pfaffen zum Behörden-Leiter

Gauck stammt aus Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, ist 72 Jahre jung und von Beruf evangelischer Pastor, Publizist und parteiloser Politiker. Von seiner Frau Hansi - mit der er vier Kinder hat - lebt er seit 1991 getrennt und ist seit mehreren Jahren mit der Journalistin Daniela Schadt liiert.

Durch provokante und kritische Predigten rückte Gaucks Arbeit ab der ersten Hälfte der 1970er Jahre in den Fokus des Ministeriums für Staatssicherheit. Als der kommunistische Osten Deutschlands sich ab 1989 mit der zunehmenden Forderung nach politischer Mitbestimmung und Öffnung konfrontiert sah, war Gauck an vorderster Front zu finden.

Bereits 1988 hatte er den westdeutschen Altkanzler Helmut Schmidt anlässlich des Kirchentags unter dem Motto "Brücken bauen" zu einer bewegenden Rede nach Rostock gebracht. Ab dem ereignisreichen Oktober 1989 von seiner eigentlichen Tätigkeit als Pastor freigestellt, wurde Gauck 1990 für das "Neue Forum" in die DDR-Volkskammer gewählt und fungierte dort ab Juni des selben Jahres als Vorsitzender "Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des MfS/AfNS" (Ministeriums für Staatssicherheit). In dieser Funktion erlebte Gauck auch den Eintritt den Tag der deutschen Einheit.

Als Mitglied der DDR-Volkskammer hätte Gauck in der Folge im Bundestag Platz nehmen sollen, legte sein Mandat jedoch bereits zum ehest möglichen Zeitpunkt - am 4. Oktober 1990 - nieder, um sich ganz der Aufgabe als "Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes" zu widmen. Als er knapp zehn Jahre später seinen Dienst niederlegte, hatte sich - wohl auch aufgrund des "sperrigen" offiziellen Arbeitstitels - die "Gauck-Behörde" im öffentlichen Sprachgebrauch etabliert.

Angepasst? Von wegen!

Bis zu seiner ersten Präsidentschafts-Kandidatur verdingte sich Gauck als Buchautor, TV-Journalist und gerne geladener Festredner. Das ehemals aktive Mitglied des "Bündnis 90" war bereits 1993 - anlässlich der Fusion mit den Grünen - aus der Partei ausgetreten und konnte sich auch in den Jahren danach nie als mit dem Schlagwort "Politiker" identifizieren.

Genau aus dieser Distanz erklärt sich womöglich seine Popularität, weit über Partei- und Konfessionsgrenzen hinaus. Der Spiegel sieht in ihm sogar einen "Wanderprediger der deutschen Demokratie". Gauck als Bundespräsident lässt ein radikales Alternativprogramm zu seinen Vorgängern - dem "angepassten" Horst Köhler und dem "Adabei" Christian Wulff - erwarten. Genau darüber scheint sich Angela Merkel - die beiden kennen und schätzen einander bereits seit Jahren - im Klaren zu sein, genau deshalb dürfte sich Merkel so lange gegen Gauck als Präsident ausgesprochen haben.

Gauck wird ein aktiver Bundespräsident sein. Wenn er etwas zu sagen hat, wird er damit - wie schon in seinem bisherigen Leben - nicht hinter dem Berg halten. Etwaigen Missgriffen in seiner Wortwahl oder einer möglich zu heftig geübten Kritik, baute er bereits in seiner ersten "Antrittsrede" vor: Man möge ihm erste Fehler verzeihen, zumal er ja kein "Supermann und fehlerloser Mensch" sein.

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