Zurück in Wien, aber nicht wieder daheim
Viel Zeit zum Ausschlafen nach seiner Geburtstagsfeier am Dienstagabend im Wiener Kreisky Forum hatte Ari Rath nicht. Schon heute, Mittwoch, sitzt der 90-jährige Jubilar im Flugzeug nach Tel Aviv, wo es sein nächstes Geburtstagsfest zu feiern gilt.
Wer ihn kennt, weiß ihn zu schätzen – den scharfsinnigen jüdischen Intellektuellen; den legendären ehemaligen Chefredakteur der Jerusalem Post; den Wiederkehrer nach Wien, der doch nie aufgehört hat, die Finger auf Wunden aus der Zeit der Nazi-Vergangenheit Österreichs zu legen.
Viele Ehrungen hat Ari Rath in den vergangenen Jahren vom offiziellen Österreich erhalten, darunter das "Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" oder aktuell das "Große Ehrenzeichen der Stadt Wien." Er hat sich davon nicht blenden und biegen lassen. Gibt zu bedenken, dass Österreich erst ab 1986, mit der Waldheim-Affäre, begonnen habe, seine Beteiligung am Krieg aufzuarbeiten. Und bis 2012 habe es schließlich gedauert, so Rath zum KURIER, "bis die Regierung Faymann den 8. Mai endlich als Tag der Befreiung bezeichnet hat". Als 13-jähriger Gymnasiast wurde Ari Rath aus Wien vertrieben. Zusammen mit seinem um drei Jahre älteren Bruder gelang den beiden Schülern mit einem Kindertransport 1938 die Flucht nach Palästina.
Zurückgekehrt ist er vor drei Jahren; zurück, aber nicht nach Hause. "Wien ist meine Geburtsstadt, aber es kann nie wieder meine Heimatstadt werden", sagt er. "Die alten Wunden, sie bleiben doch irgendwie immer spürbar."
Etwa, dass schon vier Jahre vor dem Anschluss jüdische Kinder in den Wiener Gymnasien in separate Klassen abgedrängt wurden. Dass die Nazis der großbürgerlichen Familie den gesamten Besitz raubten. Dass er ab dem 11. März 1938 "praktisch vogelfrei war – über Nacht vom Menschen zum Unmenschen geworden".
Würdigung
Das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens wurde schließlich zum Leitmotiv des in Israel zum Spitzenjournalisten aufgestiegenen Ari Rath. Dies Engagement würdigten gestern neben Bundespräsident Heinz Fischer und Alt-Kanzler Franz Vranitzky auch der ehemalige deutsche Staatssekretär Jürgen Sudhoff, der Grüße des deutschen Präsidenten Gauck überbrachte und Rath nochmals für seinen Beitrag zur Verständigung zwischen Israel und Deutschland dankte.
Heute pendelt Ari Rath zwischen Israel und Österreich, hält Vorträge in Schulen und wirkt unermüdlich wie eh und je. "Ich kann selber nicht glauben, dass ich 90 bin", lacht er herzlich. "Man muss agil bleiben, ich bin ja jede Nacht bis ein oder zwei Uhr Früh am Computer. Eigentlich", und man meint, ihn am anderen Ende der Telefonleitung lächeln zu sehen, "bin ich fast immer online."