Politik/Inland

Zehntausende zittern vor der Abschiebung nach Ungarn

Hilfsorganisationen warnen seit Langem vor den menschenunwürdigen Umständen, unter denen Flüchtlinge in Ungarn unterbracht werden. Kanzler und Vizekanzler kritisieren seit Monaten, dass sich die Orbán-Regierung nicht angemessen um die Flüchtlinge kümmert.

Im September hat der Verwaltungsgerichtshof sogar eine Abschiebung gestoppt. Die Begründung: Die gesetzliche Vermutung, dass Ungarn für Flüchtlinge sicher ist, bestehe derzeit nicht mehr.

Trotzdem prüft Österreich bei Flüchtlingen, die (mutmaßlich) aus Ungarn gekommen sind – etwa bei den Zehntausenden, die in den vergangenen Wochen über Nickelsdorf ins Land kamen – nach wie vor die Rückführung dorthin. So, wie es der EU-Richtlinie entspricht, wonach jenes Land für das Asylverfahren zuständig ist, das zuerst betreten wurde.

EU-Vorschrift

Nach Griechenland darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seit Jahren nicht mehr abgeschoben werden. Weil es aber zu Ungarn keinen solchen generellen Abschiebe-Stopp gibt, wird, wie Innenministeriums-Sprecher Karl-Heinz Grundböck dem KURIER bestätigt, weiter jeder Einzelfall geprüft. Für viele Flüchtlinge ist der Bescheid, dass die Abschiebung nach Ungarn geprüft wird, eine (unnötige) Schreckensnachricht. Helfer in Flüchtlingsunterkünften schildern gegenüber dem KURIER dramatische Szenen.

Die Behörden kommen übrigens ungefähr seit der VwGH-Entscheidung Mitte September in jedem Fall zum gleichen Ergebnis: Dass wegen der schlechten Bedingungen nicht nach Ungarn abgeschoben werden könne.

Wieso die Verfahren überhaupt geführt werden, wenn sie doch alle zum gleichen Ergebnis, also de facto zu nichts führen? Weil sich die Situation in Ungarn ja schließlich auch irgendwann wieder verbessern könnte. Dann könnte Österreich alle, die über Ungarn gekommen sind, zurück schicken – aber eben nur, wenn jetzt die Vorschriften eingehalten, sprich: Verfahren geführt und Einzelfälle geprüft werden. "Bürokratischer Irrsinn", sagt ein Helfer, "der die Flüchtlinge wie ein Damoklesschwert bedroht."

Drei-Punkte-Programm

Die SPÖ legte unterdessen ein "3-Punkte-Programm zur sicheren Grenzkontrolle an der österreichischen Südgrenze" vor. Dieses beinhaltet u.a. eine Kommandozentrale für Einsatzkräfte, von der aus mit Slowenien und Deutschland Flüchtlinge aufgenommen und verteilt werden sollen.