Wo sich Erwin Pröll als Staatsmann gibt
Die Limousine mit dem Kennzeichen "N1" rollt langsam zum Tor des Benediktiner-Stiftes Göttweig: Erwin Pröll steigt voller Schwung aus dem Wagen, Außenminister Sebastian Kurz wartet schon zehn Minuten auf Niederösterreichs Landesfürsten. Händeschütteln, dezentes Lächeln, umsichtiger Blick, Pröll beherrscht das Protokoll.
Es ist nicht irgendein Event, zu dem er kommt, sondern ein Festakt, der hier im barocken Prunkbau über die Bühne geht: das 20. Europaforum Wachau wird mit internationalen Gästen zelebriert.
Zum Thema "Stößt Europa an seine Grenzen? Zur Rolle Europas in der Welt" gibt es am Samstag zahlreiche Politiker-Beiträge von Pröll, Kurz, Tschechiens Vize-Premier, Ungarns Außenminister, dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber. Falter-Herausgeber Armin Thurnher ist als "Querdenker" geladen.
Still ist es im Saal, als der Gastgeber zum Rednerpult geht: Rhetorisch brillant und analytisch scharf warnt Pröll vor "nationalen Begehrlichkeiten"; er ruft die EU auf, "das Wesentliche" zu tun, nämlich: Eine "Flüchtlingspolitik mit fairen Quoten" durchzusetzen; die Stabilität in der Ukraine und am Balken zu fördern ; und den Menschen die Angst zu nehmen. "Angst ist ein politisches Aufputschmittel der Populisten." Pröll, der dies noch nie so offen ausgesprochen hat, ruft die EU-Politiker auf, Populisten zu stoppen, denn "sie sind ein gefährlicher Sprengstoff für Europa".
Was sich viele nach dem leidenschaftlichen Vortrag für ein starkes Europa wohl gedacht haben, spricht Moderator Paul Lendvai ganz offen aus: "Das war die Rede eines europäischen Staatsmannes." "Pröll for president" – darauf spielte der Publizist an. Kandidiert Erwin Pröll jetzt für die Hofburg? "Das zu entscheiden ist viel zu früh", sagte ein Begleiter Prölls. Die Wahlen in Wien und Oberösterreich im Herbst seien abzuwarten. ÖVP-Granden in Göttweig schlossen gestern nicht aus, dass es dabei zu einem politischen Erdbeben kommen könnte und die Koalition zerbricht.
Erwin Pröll hat keine Eile, ob er für das höchste Amt im Staate kandidiert. In Göttweig jedenfalls gab er sich schon einmal präsidential.