Politik/Inland

Wird Grasser verurteilt, drohen Republik Klagen über hunderte Millionen

Man glaubt es kaum, aber es geht endlich weiter. Im großen Schwurgerichtssaal nimmt heute wieder Karl-Heinz Grasser nach langer Pause auf der Anklagebank Platz. Ein Monsterprogramm steht im Buwog-Prozess auf dem Programm: 160 Zeugen werden vor Gericht aussagen. Zu Beginn des Aussagemarathons sind die ehemaligen Kabinettsmitarbeiter des Ex-Finanzminister am Wort, die den Prozess der Buwog-Privatisierung 2004 hautnah miterlebten. Darunter auch der heutige Sacher-Chef Matthias Winkler, der damals Grassers Kabinettschef war. Mit Spannung erwartet wird die Aussage von Grassers Ex-Vertrautem Heinrich Traumüller – er hat den Ex-Minister im U-Ausschuss 2012 belastet. Auch der frühere Mitarbeiter Michael Ramprecht, der ja behauptet, der Deal sei ein „abgekartetes Spiel gewesen“, wird vor Gericht erscheinen.

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Bis der Ex-Minister ein Urteil bekommt, wird es wohl noch bis Ende des Jahres dauern. Zwei Jahre wird dann der Monsterprozess gedauert haben, acht Jahre wurde ermittelt, bis es zur Anklage kam. Macht in Summe zehn Jahre. Die Kosten liegen im zweistelligen Millionenbereich.

Nach dem Urteil könnte es gut sein, dass die Causa Buwog nicht zu Ende ist. Nicht nur, weil die Angeklagten durch alle Instanzen gehen, sondern auch aus einem anderen Grund – und der könnte die Republik so richtig teuer kommen. Abhängig ist das in erster Linie vom Urteil der Richterin.

Denn eine Variante birgt einen echten monetären Bumerang in sich: Gesetzt den Fall, dass der Ex-Finanzminister von Marion Hohenecker der Untreue schuldig gesprochen würde, könnte der Republik Schadenersatzklage in dreifacher Millionenhöhe ins Haus stehen – und zwar von der CA Immo. Sie war jene Immobilienanlagengesellschaft, die beim Verkauf den Kürzeren zog.

Grasser war Amtsträger

Welche juristische Begründung steckt dahinter? Weil Grasser als Finanzminister ein Amtsträger der Republik war, haftet Österreich für ihn.

So sieht es auch Neos-Abgeordnete und Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss. Für seine Organe haftet der Bund nach herrschender Meinung unbeschränkt.

Das heißt, der Bund kann sich nicht darauf berufen, dass er vom Fehlverhalten des Finanzministers nichts gewusst habe und davon auch nichts wissen konnte. „Als Organ handelt der Bundesminister für den Bund – er ist es, durch den der Bund tätig wird“, erklärt Griss.

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Zur Erinnerung: Der Kaufpreis lag bei 961 Millionen Euro. Die CA-Immo bekam den Zuschlag für die Buwog nicht, weil sie eine Million Euro weniger bot als das Immofinanz-Konsortium – nämlich nur 960 Millionen.

Der entscheidende Tipp, der den Unterschied von einer Million Euro ausmachte, soll laut der Anklage von Grasser gekommen sein. Schon jetzt hat sich die CA-Immo als Privatbeteiligte dem laufenden Verfahren angehängt. Nicht weniger als 200 Millionen Euro für den „entgangenen Gewinn und Beraterkosten“ fordert sie vom Ex-Minister.

Diese Summe wird bei Grasser nicht zu holen sein. Aber von der Republik könnte noch viel mehr an Schadenersatz drinnen sein. Die CA-Immo kann die Schadenersatzklage gelassen angehen: Es herrscht kein Zeitdruck, selbst wenn Grasser bis zum Obersten Gerichtshof geht, denn die Verjährungsfrist liegt bei 30 Jahren. CA-Immo Rechtsanwalt Johannes Lehner meint, dass man nun einmal „das Urteil abwarten muss“, aber „theoretisch ist es möglich, dass die CA-Immo Schadenersatz von der Republik fordern wird“.

5,2 Mrd. für Buwog

Wie würde der Schaden berechnet?

Hier sagt der Gesetzestext Folgendes: Die Bieterin ist geschädigt, wenn ihr Vermögen durch den Kauf der Wohnungen größer wäre, als es tatsächlich ist. Im Fall Buwog herrscht an diesem Punkt kein Zweifel. Der Schaden wird durch einen Vermögensvergleich – mit Kauf der Wohnungen und ohne Kauf der Wohnungen – festgestellt. Dabei ist natürlich der Kaufpreis zu berücksichtigen, den sie für die Wohnungen gezahlt hätte. „Größer kann der Schaden sein, wenn der Wert der Wohnungen höher als der von ihr gebotene Preis gewesen wäre, oder sich durch den Kauf Geschäftsmöglichkeiten eröffnet hätten, die sie ohne den Erwerb der Wohnungen nicht hat“, erklärt Griss.

Neue Geschäftsmöglichkeiten durch den Kauf der Buwog hätten sich für die CA-Immo genügend ergeben. Man könnte sogar sagen, der CA-Immo sind Big Deals entgangen: Erst Anfang 2018 hat der deutsche Wohnkonzern Vonovia die Buwog für stolze 5,2 Milliarden Euro übernommen. Es war die zweitgrößte Übernahme, die es je in Österreich gegeben hatte.

Einen delikaten Aspekt gibt es in der Causa. Da gibt die Justiz Millionen aus, um Grasser vor Gericht zur bringen. Wird der Ex-Minister schuldig gesprochen, brockt sich der Staat damit gleichzeitig ein riesiges Problem ein – er steckt in einer Doppelmühle.