Häupl: "Strache ist von Angst getrieben"
Das Flüchtlingsthema und das rot-blaue Duell prägen den Wiener Wahlkampf. Der KURIER sprach darüber mit Bürgermeister Michael Häupl.
KURIER: Diese Woche haben Sie sich bei den Wienern für ihren Einsatz für die Kriegsflüchtlinge bedankt. Auf den Wahlplakaten haben Sie um dieses Thema einen Bogen gemacht. Absicht?
Michael Häupl: Ich habe immer gesagt, dass man Menschen, die Hilfe brauchen, auch zu helfen hat. Wobei damit nicht ausschließlich nur Flüchtlinge gemeint sind. Sondern auch all jene, die zum Beispiel in die Armutsfalle geraten sind. Da möchte ich schon darauf hinweisen, dass die FPÖ sich zwar als soziale Heimatpartei bezeichnet, aber gegen alle Maßnahmen der Armutsbekämpfung gestimmt hat.
Was hat Sie in diesem Jahr besonders betroffen gemacht?
Was hat Sie zuletzt am Engagement der Wiener beeindruckt?
Dass sie die Hilfe so umgesetzt haben. Wenn die Wienerinnen und Wiener fühlen, dass da Menschen sind, die unsere Hilfe brauchen, dann helfen sie auch. Das haben sie bei den Sudetendeutschen, der Ungarnkrise und beim Bosnien-Krieg gemacht. Denn der Wiener hat sein Herz am richtigen Fleck.
Nun kommen diese Menschen aus einem anderen Kulturkreis. Hat Sie die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum nicht überrascht?
Nein. Wir fühlen uns dem arabischen Kulturkreis verbunden, gerade aufgrund unserer Beziehungen zu Israel. Klar wollen das Rechtspopulisten ausnutzen und Leute aufeinander hetzen. Aber die Wiener spüren das schon richtig, wenn Frauen, Kinder und Familien Hilfe brauchen.
Für die Asylpolitik ist der Bürgermeister nicht zuständig, aber für alle Fragen der Unterbringung und Integration. Solidarität kann nur die Antwort der ersten Wochen sein. Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Wichtig ist die Unterbringung. Alle, die bei uns um Asyl ansuchen, brauchen auch eine feste und menschenwürdige Unterkunft. Die Kinder müssen in die Schule. Und natürlich brauchen wir eine Integration in den Arbeitsmarkt.
In welchen Bereichen?
Man muss sich vom Irrtum befreien, dass das nur arabische Bauern sind, die zu uns kommen. Da muss man screenen, welche Qualifikationen diese Menschen haben. Es muss ein syrischer Arzt nicht Taxi fahren, sondern kann auch anderwärtig eingesetzt werden. Natürlich werden auch Leute dabei sein, die etwa in der Gärtnerei helfen können.
Deutschland diskutiert gerade, wie viele Flüchtlinge das Land pro Jahr verträgt. Derzeit sind in Wien 11.000 in Grundversorgung und 5500 in Notschlafstellen. Wie viel verträgt Wien?
Man wird sich der Diskussion schwer entziehen können. Ich verweise aber darauf, dass wir im Bosnienkrieg 80.000 Menschen in Wien gehabt haben. Klar waren sie in der Stadt sichtbar. Ich glaube aber, dass wir das in Wien gar nicht bestimmen können, wie viele kommen.
Wie löst man die aktuelle Krise?
Entscheidend ist, wie man das Morden im Irak, Syrien und in Afghanistan beenden kann. Entscheidend sind auch die Beschlüsse in Brüssel. Dass man die großen Flüchtlingslager in Jordanien, Libyen und der Türkei unterstützt. Denn viele fliehen, weil es in den Lagern nichts mehr zu essen gibt.
Das wird noch nicht reichen.
Ja. Der zweite wichtige Punkt ist daher, dass man in Griechenland und Italien Hotspots einrichtet, wo kontrolliert wird, wer tatsächlich Asyl in Europa bekommen kann. Dann muss der dritte Schritt kommen. Ob es meinen Nachbarn passt oder nicht: Es kann sich nicht ganz Osteuropa aus der Frage heraushalten. Man sollte sie daran erinnern wie Österreich den Tschechen 1968 geholfen hat. Oder 1956 den Ungarn. Wir haben damals in dem Dorf in Niederösterreich, wo ich aufgewachsen bin, Ungarnflüchtlinge aufgenommen, ohne dass es ein großes Theater gegeben hat.
Ist Asyl auf Zeit der richtige Weg?
Selbstverständlich. Wenn der Asylgrund wegfällt, muss man die Menschen darauf hinweisen, dass es kein Asyl mehr geben kann. Dann gibt es entweder einen anderen Aufenthaltstitel oder die Heimkehr nach Hause.
Es kommen nicht nur Frauen und Kinder sondern auch junge Männer. Wie nimmt man als Politiker den Wienern hier die Ängste?
Indem man sie an der Hand nimmt und nach Erdberg führt. Da sind junge Männer untergebracht, die zum Großteil ausgezeichnet ausgebildete junge Leute sind. Wir haben momentan 28 Junge im Gymnasium, die gerade Deutsch lernen. Sie können jetzt schon ausgezeichnet Englisch. Dann sieht man, wie Angst verfliegt. Jeder, der dort hingeht, geht ohne Angst wieder weg.
Würden Sie das auch Herrn Strache empfehlen?
Der lebt ja von Angst. Er ist selbst von Angst getrieben und lebt politisch davon, dass die Leute Angst haben.
Apropos Umverteilungsängste. Bei der Vergabe im Gemeindebau werden Langzeit-Wiener bevorzugt behandelt. Eine Antwort auf die FPÖ?
Nein. Das war eine Antwort auf das, was uns die Leute gesagt haben. Viele waren angefressen, dass ständig andere vorgereiht wurden. Jetzt läuft es nach dem Motto "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Wenn einer schon lange auf eine Gemeindewohnung wartet, soll er nicht mehr zurückgereiht werden.
In zwei Wochen wählt Wien. In Oberösterreich warnt die ÖVP vor einer FPÖ auf Platz eins. Wovor warnen Sie?
Ich warne davor, dass es in Wien zu Wiener Neustädter Verhältnissen kommt. Nämlich vor einem Bündnis, um einen SPÖ-Bürgermeister zu verhindern. In Wien gäbe es dann einen Bürgermeister Heinz-Christian Strache. Das sollten sich alle gut überlegen.
Was ist an so schlimm an einem Bürgermeister Strache?
Es würde nur Streit und Hader gefördert und wesentliche Errungenschaften abgeschafft. Die Kultur würde wahrscheinlich nur noch auf die Blasmusik reduziert werden und der Verkauf der Gemeindewohnungen im Raum stehen. Strache kann hundert Mal schreiben, er werde nichts privatisieren. Wer hat den die BUWOG privatisiert? Die FPÖ. Die Gerichte beschäftigen sich noch heute damit. Dazu kommt der Verlust der internationalen Anerkennung für Wien.
Strache will als Bürgermeister auch amtsführender Stadtschulratspräsident sein.
Gott schütze unsere Kinder vor diesem Szenario. Er ist wirklich ein ausgewiesener Experte des Bildungswesens.
Die FPÖ hat gegen Sie zwei Wochen vor der Wahl einen Misstrauensantrag eingebracht. Dazu kommt jetzt ein verhöhnender Rap-Song. Ist das normaler Wahlkampf-Alltag?
Manches nehme ich nicht ernst. Der Rap hat allerdings mehrere Aussagen drin, die unser Anwalt prüft. Der Misstrauensantrag richtet sich ja von selbst. Die FPÖ hat monatelang keine einzige Anfrage an mich gestellt.
Ihr Versprechen für Wien ist?
Dass Wien wächst und weiterhin eine so tolle Stadt bleibt. Das ist nicht selbstverständlich.
Ihre Schmerzgrenze?
Die gibt es nicht.
Und wenn Sie von Strache überholt werden?
Das diskutieren wir, wenn es soweit ist. Ich glaube aber, die Diskussion können wir uns sparen.
Was sieht Ihre persönliche Lebensplanung in den kommenden Jahren vor?
Bürgermeister von Wien zu sein und hart dafür zu arbeiten.