FPÖ: "Ich muss nicht provozieren, ich muss nur warten"
Von Elias Natmessnig
Seit Jahren versucht die FPÖ in Wien in Regierungsverantwortung kommen – bisher erfolglos. Doch ein Mann soll diesen Bann endlich brechen. Paul Stadler ist 56 Jahre alt, hat eine Vorliebe für Regimentsmusik und türkische Wassermelonen und könnte ab Oktober in Simmering der erste FPÖ-Bezirksvorsteher Wiens werden.
Stadler wartet in Anzughosen und kariertem, breit geschnittenen Hemd mit kurzen Ärmeln vor dem Simmeringer Amtshaus auf den KURIER. Gemeinsam geht es durch den Bezirk zum blauen Parteibüro, entlang an Gemeindebauten und heruntergekommenen Gründerzeithäusern. Das Bildungsniveau ist hier niedrig, die Simmeringer Hauptstraße ist von Tschocherln und Wettbüros gesäumt.
Ein klassischer Arbeiterbezirk. Doch da widerspricht Stadler sofort: "Simmering ist überhaupt kein Arbeiterbezirk mehr." Die klassischen Arbeiter seien längst alt geworden, würden jetzt in ihren Gemeindebauten sitzen und sich über die "Neuen Österreicher" ärgern, die am Abend lärmende Feste feiern.
"Sie glauben nicht, wie viele Anrufe wir zu Zeiten des Ramadan haben", sagt Stadler und bleibt kurz stehen. Er deutet auf die andere Straßenseite: "Den Teil hier nennen wir Klein-Istanbul." Ein Handy-Shop, daneben ein Kebab-Restaurant und ein Gemüsehändler. "Bei mir ums Eck ist auch ein türkischer Laden. Da kauf ich mir immer die Wassermelonen. Damit kennen sie sich aus, die Türken", sagt Stadtler und lacht. Die türkischen Süßspeisen lässt er hingegen aus. "Wegen meinem Diabetes."
Dann wird er wieder ernst. Das sogenannte Ausländerthema sei vor allem mit Abstiegsängsten verbunden: "Da kommt ein ungarischer Familienvater, der einst selbst als Kind geflüchtet ist, zu mir und sagt: ,Ihr müsst was gegen die machen, mein Sohn bekommt keine Arbeitsstelle.‘"
Rotes Kerngebiet
Arbeit ist auch das zentrale Thema der SPÖ, Simmering ein wichtiger Bezirk. 2001 erzielten die Roten hier noch fast 61 Prozent, 2010 nur mehr 49. Die absolute Mehrheit ging sich noch aus, allerdings mit einem Minus von fast 12 Prozent, während sich die Blauen auf 34 Prozent verdoppelten. Stadler ist in Simmering aufgewachsen, hat einst die rote Politik geschätzt. "Doch der letzte echte Sozi in Simmering war der Hatzl", sagt er. Johann Hatzl, einst Stadtrat und Landtagspräsident, war mehr als 30 Jahre Obmann der SPÖ Simmering und prägte den Bezirk wie kein zweiter.
Seine Witwe Eva-Maria Hatzl (62) ist heute Bezirksvorsteherin; sie hat das Amt erst vor wenigen Monaten nach wilden Grabenkämpfen in der Bezirkspartei von ihrer Langzeit-Vorgängerin Renate Angerer übernommen.
Das Verhältnis zu ihrem blauen Stellvertreter Stadler ist amikal, trotz der Ablehnung von Rot-Blau durch Bürgermeister Michael Häupl. "Ich bin zuversichtlich, dass wir den ersten Platz halten, und ich Bezirksvorsteherin bleibe", sagt Hatzl, "Ja es wird enger werden, aber Angst habe ich keine. Wir werden die Bewohner im Wahlkampf informieren und zeigen, dass wir für sie da sind." Natürlich gebe es hin und wieder Probleme, vor allem im Gemeindebau. "Aber die meisten halten sich an die Regeln."
Hilfe für Flüchtlinge
Auffällig: Ausländerfeindliche Töne bleiben in Simmering im Gegensatz zu anderen Bezirken so gut wie aus, auch wenn das Asylthema jeden beschäftigt. Stadler: "Wir sind kein Einwandererland, aber Kriegsflüchtlingen haben wir immer geholfen." Die Aktion seiner FPÖ-Kollegen in Erdberg, die Flüchtlinge mit wenig freundlichen Transparenten begrüßt haben, kann er nicht nachvollziehen: "Ich halte es für dumm. Das hätten sie sich sparen können."
Die Roten würden so und so einen Fehler nach dem anderen machen. "Da muss ich nicht provozieren. Ich muss nur warten", sagt Stadler. "Wenn die so weitermachen, stehen meine Chancen bei 60 Prozent."